Dossier

Verklärt und unvergessen Vor einem Jahr starb Jörg Haider

Der Unfallwagen

Der Unfallwagen

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Im Jahr Eins nach Jörg Haider ist Österreich ein geteiltes Land. Über dem südlich gelegenen Bundesland Kärnten schwebt noch immer omnipräsent der Geist des rechten Landeshauptmanns (Ministerpräsidenten), der am 11. Oktober vor einem Jahr betrunken in den Tod raste. Wie bei einer Heiligenverehrung darf "er" in kaum einem Gespräch fehlen, nicht nur seine Partei BZÖ verklärt Haider in Kärnten zum Schutzpatron des Landes.

Doch jenseits von Katschberg und Packalpe zieht der "Haider-Faktor" nicht mehr: Außerhalb von Kärnten schlingert seine Partei Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) orientierungslos in die politische Bedeutungslosigkeit. Trotzdem ist das rechte Lager auch ohne den charismatischen Populisten erfolgreich, viele frühere Anhänger sind zu Haiders politischem Ziehsohn und späteren Rivalen Heinz-Christian Strache und der rechten Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) übergelaufen.

Keine Verankerung in der Bevölkerung

Er darf in keinem Gespräch fehlen: Jörg Haider wird zum Schutzpatron Kärntens verklärt.

Er darf in keinem Gespräch fehlen: Jörg Haider wird zum Schutzpatron Kärntens verklärt.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

"Alle Versuche des BZÖ außerhalb Kärntens, mit einem Toten Wahlkampf zu machen, sind bisher gescheitert", sagt der Politikwissenschaftler Peter Filzmaier von der Donau-Universität Krems. Die Partei, die Haider 2005 von der FPÖ abspaltete, schaffte es seit seinem Tod außer bei der Landtagswahl in Kärnten bei keiner Wahl über die Fünf-Prozent-Hürde. Grund dafür ist für Filzmaier unter anderem, dass die von Haider aus einem Streit heraus gegründete Partei - außer in Kärnten - keine Verankerung in der Bevölkerung hat.

Wenig erfolgversprechend und durchdacht ist deshalb für Experten auch der jüngste Überlebensversuch des BZÖ, das Bündnis bundesweit nach dem Vorbild der deutschen FDP zu einer liberalen Partei umzubauen. "Die rechtsliberale Ausrichtung ist die Erfolgsrichtung des BZÖ in Zukunft", formuliert der neue Parteichef Josef Bucher. Doch der adrette Tourismusexperte, der von seiner Erscheinung her durchaus auch als FDP-Frontmann durchgehen könnte, spürt schon bei seinen ersten Schritten Gegenwind von Hardlinern aus den eigenen Reihen. Denn das BZÖ in Kärnten will das Erfolgsmodell, die rechte Heimatpartei im Land zu sein, nicht wegen der Bundespartei aufgeben.

Viel zu viel nationale Orientierung

"Ein BZÖ-Umbau nach FDP-Vorbild ist schwierig bis unmöglich, weil viel zu viel nationale Orientierung mitschwingt", sagt Filzmaier. Dementsprechend absurd wirken die aktuellen Versuche der Partei, eine rechtsnationale Gesinnung mit liberalem Gedankengut zu verbinden. Statements der deutschen FDP zu Integration und Sozialstaat, die ein ORF-Reporter dem Parteichef auf Bundes- und dem Fraktionschef auf Landesebene vorlegte, brachten beide in erhebliche Erklärungsschwierigkeiten.

Eine Alternative zum bundesweiten Abwärtstrend des BZÖ könnte aus Expertensicht auch die Wiedereingliederung der Kärntner Fraktion in die immer stärker werdende rechte FPÖ nach dem deutschen CDU/CSU- Modell sein. FPÖ-Frontmann Heinz-Christian Strache feierte mit seinen populistischen und ausländerfeindlichen Parolen ("Abendland in Christenhand") bei den letzten Wahlen auf Europa- wie Landtagsebene große Erfolge. "Wenn man das rechte Lager insgesamt sieht, sieht man erst wie stark es ist, weil es ohne Haider politisch erfolgreich ist", sagt der emeritierte Politikwissenschaftler an der Universität Wien, Peter Gerlich.

Verschwörungstheorien und Blumen

In Kärnten muss sich das BZÖ dagegen noch lange keine Zukunftssorgen machen. Bei den Landtagswahlen im Frühjahr holte die Partei mit dem toten Haider als Ikone und dem Motto "Ihm zuliebe BZÖ" rund 45 Prozent. Die Verehrung des Landeshauptmannes wird nach Einschätzung von Filzmaier noch Jahrzehnte anhalten. Mit einer Mischung aus authentischer Ausstrahlung, politischem Talent und extrem populistischer Inszenierung hatte es der volksnahe Demagoge zu Lebzeiten geschafft, einen Großteil der Kärntner Bevölkerung für sich einzunehmen.

Zum 1. Todestag am Wochenende werden Verschwörungstheorien zum Unfalltod mit dem Blumenmeer an verschiedenen Gedenkstätten um die Wette blühen. Gedenkmessen erinnern an den Politiker, am Freitag wird eine Ausstellung zu seinem Leben eröffnet. Eine Brücke wurde bereits nach Haider benannt, eine vier Meter hohe Statue ist in Planung. "Es wäre besser gewesen, wenn man Haider nicht eingeäschert, sondern einbalsamiert hätte", sagt der aus Kärnten stammende Schriftsteller Josef Winkler deshalb ketzerisch. "Dann hätte man im Amt der Kärntner Landesregierung eine Kapelle errichten können und dann wäre er als Einbalsamierter, als zukünftiger Seliger in einen Schneewittchensarg hineingekommen und dort könnten die ihm jeden Tag ihre Kerzen darbringen", so der Autor.

Quelle: ntv.de, Miriam Bandar, dpa

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