Dossier

"Die Schöne und das Biest" Wahl-Thriller in Kiew

Der Ausgang der Stichwahl in der Ukraine ist ungewiss. Die eine kündigt einen Fahrplan nach Europa an und droht mit einer Klage, der andere verspricht eine "Revolution in Blau".

Showdown bei der Präsidentenwahl in der Ukraine: Nach dem Erfolg von NATO-Gegner Viktor Janukowitsch in der ersten Runde erwarten viele Menschen vor der Stichwahl im zweitgrößten Land Europas eine Schlammschlacht mit vielen populistischen Akzenten. Janukowitschs Konkurrentin und Erzrivalin Julia Timoschenko verlor keine Zeit und reiste schon am Montag eiligst ins ostukrainische Lugansk, wo eine schwere Explosion in einer Klinik mehrere Menschen getötet hatte.

Die Wahl geht in die zweite Runde: Viktor Janukowitsch tritt in der Stichwahl gegen ...

Die Wahl geht in die zweite Runde: Viktor Janukowitsch tritt in der Stichwahl gegen ...

(Foto: dpa)

Bereits in der Nacht zuvor hatte die prowestliche Regierungschefin landesweit neue Wahlplakate kleben lassen und in einem dramatischen Appell zur Bildung einer "demokratischen Einheitsfront gegen Janukowitsch" aufgerufen.

Der Kampf wird hart

Rund zehn Prozentpunkte muss die Politikerin mit dem folkloristischen Haarkranz bis zum 7. Februar zum 59-jährigen Oppositionsführer Janukowitsch aufholen. Timoschenko will sich "nicht in die Knie" zwingen lassen, aber der Kampf wird hart. Die 49-Jährige muss vor allem im russischsprachigen Osten und Süden des Landes punkten, der Hochburg ihres Rivalen.

Wahlforscher verweisen aber auf die bessere "Kampagnenqualität" der charismatischen Timoschenko im Vergleich zum oft hölzern wirkenden Janukowitsch. Ukrainische Fernsehsender sprachen scherzhaft von einem Zweikampf unter dem Motto "Die Schöne und das Biest". Timoschenko zeigt sich oft makellos und mit weißer Kleidung im Wahlkampf. Dem Zwei-Meter-Mann Janukowitsch haftet das Image eines Politikers an, der 2004 in einen Skandal um Wahlfälschungen verwickelt war und in seiner Jugend auch wegen eines Raubüberfalls im Gefängnis gesessen hatte.

Timoschenkos Fahrplan nach Europa

Der Politologe Anatoli Luzenko vom Penta-Zentrum für politische Strategien setzt auf Timoschenko. Die Regierungschefin habe die bessere Strategie. "Wir sind die einzige politische Kraft, die einen Fahrplan nach Europa hat", sagt auch Vizepremierminister Grigori Nemyrja aus dem Timoschenko-Lager. Der Politologe Michail Pogrebinski vom Kiewer Zentrum für Politikstudien erwartet bis zur Stichwahl vor allem "kompromittierende persönliche Angriffe".

... Julia Timoschenko an.

... Julia Timoschenko an.

(Foto: dpa)

Auf dem verschneiten Platz der Unabhängigkeit (Maidan) in Kiew, auf dem 2004 Zehntausende Demonstranten die prowestliche Orangene Revolution ausgelöst hatten, gingen am Tag nach der Wahl die Menschen normal zur Arbeit. "Die Niederlage haben sich die orangenen Kräfte selbst zuzuschreiben, ich habe für Janukowitsch gestimmt", sagte die Verkäuferin Oxana Fjodorowa. Der Amtsinhaber und damalige Hoffnungsträger Viktor Juschtschenko, der mit einem einstelligen Ergebnis abgewählt wurde, habe sie ebenso enttäuscht wie seine frühere Verbündete Timoschenko.

Tigipko gilt als "Königsmacher"

Oxanas Kollege Andrej Krotow hat für den superreichen Bankier Sergej Tigipko gestimmt, der als Dritter die Stichwahl verpasst hatte. Tigipko gilt vor dem entscheidenden Urnengang als "Königsmacher". Zwar verkündete der Ex-Wirtschaftsminister nach der ersten Runde, er wolle keinen der beiden verbliebenen Kandidaten unterstützen. Experten meinen aber, dass der 49-Jährige damit nur seinen Preis hochtreiben will. Viele Experten sehen Tigipko bereits als Regierungschef unter einem Präsidenten Janukowitsch.

Medien in Kiew bedauerten, dass es wohl auch vor der Stichwahl eher persönliche Angriffe statt eines Programm-Wahlkampfs geben werde. Das für Westeuropa wichtigste Energie-Transitland müsse jedoch zum Beispiel entscheiden, ob es Russland an der Modernisierung seines veralteten Pipelinenetzes teilhaben lässt. Zudem gebe es weiter keinen Konsens über die russische Schwarzmeerflotte, deren Vertrag über einen Hafen auf der ukrainischen Halbinsel Krim 2017 ausläuft. Experten fürchten zudem, dass auch die Stichwahl die innenpolitische Lähmung nicht überwinden kann.

Klage oder Revolution in Blau

Für den Fall einer Niederlage am 7. Februar drohte Timoschenko bereits mit Klagen, weil dies "nur mit Fälschungen zu erreichen" sei. Janukowitsch wiederum kündigte bei einem Sieg seiner Konkurrentin eine "Revolution in Blau" an, in der Farbe seiner Partei der Regionen. Vor der Zentralen Wahlkommission in Kiew campieren Dutzende seiner Anhänger trotz Kälte in blauen Zelten.

Quelle: ntv.de, Nina Jeglinski und Wolfgang Jung, dpa

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