"Singh is King" Wahlsieger in Indien
16.05.2009, 16:33 UhrNicht einmal unverbesserliche Optimisten im Kongress hätten an einen solchen Triumph geglaubt: Die indische Traditionspartei fuhr bei der Parlamentswahl ihren größten Sieg seit fast 20 Jahren ein. Bereits nach dem überraschenden Wahlsieg vor fünf Jahren hatten Kritiker geunkt, die vom Kongress geführte Koalition werde die Legislaturperiode nicht überleben. Doch die Koalition stand nicht nur stürmische Zeiten durch. Der Kongress überzeugte die Mehrheit der Wähler nun sogar ein weiteres Mal, dass Premierminister Manmohan Singh am besten geeignet ist, das Schicksal der bevölkerungsreichsten Demokratie der Welt zu lenken.
"Singh is King", blendeten Nachrichtensender am Samstag in Anlehnung an einen Bollywood-Film ins Fernsehbild ein. Hunderte Kongressanhänger feierten den Premierminister und Parteichefin Sonia Gandhi vor dem Hauptquartier der Partei in Neu Delhi. Dabei war Manmohan Singh 2004 als Ersatzkandidat aus dem Hut gezaubert worden, als die italienischstämmige Sonia Gandhi das Amt des Premierministers nach Anfeindungen wegen ihrer Herkunft ablehnte. Doch der wenig charismatische Finanzexperte bewährte sich als integer und loyal - und als jemand, der auch in Krisenzeiten eine ruhige Hand behält. Die Mehrheit der Inder entschied sich für Stabilität und Kontinuität - und damit gegen die hindu-nationalistische BJP.
Strippenzieherin Sonia Gandhi
Singh gelang es mit staatlichen Hilfsprogrammen, die Stimmen der Landbevölkerung zu gewinnen. Punkte sammelte die Regierung auch mit ihrer energischen, aber besonnenen Reaktion nach den aus Pakistan heraus geplanten Terroranschlägen von Mumbai (Bombay). Singhs größter außenpolitischer Erfolg war das Nuklearabkommen mit den USA, das die jahrzehntelange Isolation der Atommacht Indien beendete. Die linken Parteien entzogen der Regierung daraufhin die Unterstützung, doch Singh gelang es, neue Partner ins Boot zu holen. Die Kommunisten verloren bei der Wahl dramatisch an Stimmen, und das vom Kongress geführte Bündnis, die Vereinte Fortschrittsallianz (UPA), ist auf die linke Unterstützung dank des eigenen Erfolges nicht mehr angewiesen.
Als Sonia Gandhi und Manmohan Singh nach dem fulminanten Wahlsieg vor die Medien traten, dirigierte sie ihn mit einem Siegerlächeln zu den richtigen Stellungen für die Kameras. Während Singh in den vergangenen fünf Jahren die Regierungsgeschäfte führte, zog Sonia Gandhi hinter den Kulissen die Strippen und hielt die Koalition zusammen. Das Tandem aus dem fachkundigen Technokraten und der heimlichen Herrscherin hat sich in den Augen der Wähler bewährt. Und die Wahl hat noch einen dritten Star hervorgebracht: Den Chef des Jugend-Kongresses, Rahul Gandhi. Der Sohn Sonia Gandhis und des ermordeten Ex-Premierministers Rajiv Gandhi hat mit unermüdlichem Engagement maßgeblich zum Wahlsieg beigetragen.
Nachwuchs Rahul Gandhi
Der Nachrichtensender "Times Now" machte den "Rahul-Faktor" für die Kongress-Stimmen junger Inder verantwortlich und nannte den attraktiven Politiker ein "Aushängeschild" der Partei. Manmohan Singh führte den Wahlerfolg nicht nur auf "die visionäre Führung Sonia Gandhis", sondern auch auf die harte Arbeit ihres Sohnes zurück. Kongress-Sprecher Janardhan Dwivedi nannte den Wahlsieg "ein Mandat für UPA-Chefin Sonia Gandhi, für die von Manmohan Singh angeführte UPA-Regierung, und ein Mandat für die Führung von Rahul Gandhi". An Lob für den charismatischen Nachwuchs-Politiker mangelt es nicht.
"Rahul ist jetzt aufgebaut", sagt ein westlicher Diplomat. "Die Leute sehen, der hat das Zeug zu einer Führungspersönlichkeit. Das ist nach dieser Wahl eindeutig." Der 39-Jährige hat die Partei verjüngt und will sie programmatisch erneuern. Singh sagte, er wolle Rahul Gandhi nun davon überzeugen, einen Kabinettsposten anzunehmen. Der Spross der Nehru-Gandhi-Dynastie wird in Stellung gebracht, um dem 76-jährigen Singh eines Tages im Amt des Regierungschefs nachzufolgen - spätestens bei der Wahl in fünf Jahren.
Can Merey, dpa
Quelle: ntv.de