Dossier

Tesch, Everts und Co. Was die SPD-Rebellen heute machen

"Nein, eine Perspektive auf einen Job habe ich keine." Silke Tesch antwortet bereitwillig. Schließlich hat sich die frühere hessische SPD-Landtagsabgeordnete verdächtigen lassen müssen, sie lasse sich mit einer attraktiven Stelle dafür belohnen, dass sie vor drei Monaten zusammen mit drei Kollegen die rot-rot-grünen Regierungspläne ihrer Parteichefin Andrea Ypsilanti platzen ließ. Nun sitzt sie zu Hause in Kleingladenbach bei Marburg, räumt ihr Wahlkreisbüro aus und arbeitet die Briefe und Mails aus den turbulenten Novembertagen ab. 90 Prozent seien zustimmend, sagt Tesch.

Außerdem liegt auf ihrem Tisch eine Aufforderung der Partei, sich zu den Ausschluss-Anträgen zu äußern. Tesch will - ebenso wie ihre Mitstreiter Carmen Everts und Jürgen Walter - um ihre Mitgliedschaft kämpfen. Die gelernte Erzieherin und Industriekauffrau ist immer noch SPD-Ortsvereinsvorsitzende und sitzt für die Sozialdemokraten im Breidenbacher Gemeindeparlament. Das Partei-Verfahren läuft auf der nächsthöheren Ebene. Ihre lokale Basis stehe hinter ihr, versichert sie: "Aber im Unterbezirk und Landesverband fühle ich mich regelrecht ausgespuckt."

Tischtuch ist zerschnitten

Dieselbe Erfahrung macht Carmen Everts im südhessischen Riedstadt-Erfelden: "Mein Orts- und Stadtverband möchten, dass ich weiter mitarbeite. Aber vom Kreis an aufwärts ist das Tischtuch zerschnitten." Auch Everts ist vom Ausschluss bedroht. Dass der designierte neue Parteichef Thorsten Schäfer-Gümbel zwar Distanz gegenüber solchen Verfahren äußert, aber als Vorsitzender keine Einflussmöglichkeit sieht, findet sie halbherzig: "Formal hat er Recht. Aber er könnte schon deutlicher in die Partei hinein appellieren."

Während Tesch nach knapp sechs Jahren Landtag immerhin ein paar Monate Anspruch auf Übergangsgeld hat, erhält die 40-jährige Everts nicht einmal das. Wie es beruflich weitergeht, ist offen. Was ihr bleibt, ist das gesetzliche Rückkehrrecht in ihre frühere Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin. Doch die ist ausgerechnet bei der SPD-Landtagsfraktion - wo man ohnehin auf Everts nicht gut zu sprechen ist und nach der verheerenden Wahlniederlage auch noch Stellen streichen muss. Man führe Gespräche, sagt die Ex-Abgeordnete.

Kein Verfahren gegen Metzger

Solche materiellen Sorgen haben ihre damaligen Mitstreiter Dagmar Metzger und Jürgen Walter nicht. Walter hat eine Anwaltskanzlei, Metzger arbeitet wieder als Justiziarin bei der Sparkasse Darmstadt. Weil sie sich Ypsilantis Linkskurs nicht erst in letzter Sekunde, sondern von Anfang an offen verweigert hatte, läuft gegen sie als einzige der vier "Abweichler" kein Ordnungsverfahren.

Die 50-Jährige ist weiterhin SPD-Stadtverordnete. Ihr Unterbezirk schickt sie sogar als Delegierte zum Landesparteitag, der am 28. Februar in Darmstadt zusammentritt. Dort will Metzger für Ypsilantis designierten Nachfolger Schäfer-Gümbel stimmen: "Ich denke, wir müssen jetzt Ruhe reinbringen. Er hat sich im Wahlkampf sehr tapfer geschlagen." Langsam schwimme er sich frei von seiner Vorgängerin.

Trotz der schweren Verluste der SPD von 36,7 auf nur noch 23,7 Prozent zweifelt keiner der vier daran, im November das Richtige getan zu haben. Wäre Ypsilanti gleich damals zurückgetreten und nicht erst am Wahlabend, wäre die hessische SPD nicht so tief gestürzt, sagen sie einmütig. Die vier halten immer noch engen Kontakt, Anfang Februar besuchten sie gemeinsam den Empfang des Landtags für die ausscheidenden Abgeordneten. Nach dem, was man gemeinsam erlebt habe, sei man sich so nahe "wie in einer Familie", erzählt Tesch: "Man stützt sich emotional." Auch Metzger sagt: "So eine Erfahrung schweißt zusammen."

Quelle: ntv.de, Wolfgang Harms, dpa

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