Vier mögliche Wege Was nun, Europa?
16.06.2008, 13:24 UhrNach dem Nein der Iren zum Lissabon-Vertrag sind rein theoretisch folgende Möglichkeiten denkbar:
Ein neuer Vertrag: Dies war die Lösung, als die Niederlande und Frankreich 2005 gegen den Verfassungsentwurf stimmten. Der Reformvertrag von Lissabon ist ein mühsam erzielter Kompromiss, der wesentliche Teile des Verfassung beinhaltet. Ein neuer Vertrag würde bedeuten, dass auch die Ratifizierung noch einmal neu beginnt. Staaten, die bereits die Verfassung und den Lissabon-Vertrag ratifizierten, müssten ein drittes Mal über die Ratifizierung entscheiden.
Ein neues Referendum in Irland: Dies hat es in Irland bereits gegeben, nachdem die Iren 2001 den Nizza-Vertrag scheitern ließen. Ebenso wie damals wären auch jetzt ergänzende Erklärungen oder Klarstellungen der EU nötig, mit denen die Regierung eine neue Abstimmung rechtfertigen könnte. Dies könnten Erklärungen zur Neutralität, zur Steuerpolitik oder zur Abtreibungsfrage sein. Auch ein neues Referendum könnte aber scheitern. Die EU wäre dann in einer noch schwierigeren Lage.
Kerneuropa: Darunter versteht man einen Kern von Staaten, die zu weitgehender Integration bereit sind, während andere weniger Integration wollen und daher nicht zu dem Kern gehören. Es ist völlig unklar, wie dies funktionieren könnte. Der Lissabon-Vertrag kann nur einstimmig angenommen werden, anderenfalls gilt der Nizza-Vertrag weiter. Keiner dieser beiden Verträge sieht Regelungen für einen "Kern" vor. Eine Ratifizierung durch 26 Staaten würde großen Druck auf Irland bedeuten. Eine Art "Europa der zwei Geschwindigkeiten" ist das Zusammengehen von Staaten zur Erreichung bestimmter Ziele: Dies gibt es bisher schon, etwa mit der Schengen-Zone und mit dem Euro.
Alles bleibt, wie es war: Wenn der Lissabon-Vertrag nicht ratifiziert wird, gilt der Nizza-Vertrag von 2003 weiter. Seine Entscheidungsmechanismen sind komplizierter, er sieht keine so enge Zusammenarbeit in der Außenpolitik und keine so große Rolle nationaler Parlamente vor. Der Nizza-Vertrag ist auf 27 Mitgliedstaaten ausgelegt und schränkt dadurch die Erweiterungsmöglichkeiten ein. Die EU-Regierungen müssten sich bereits bis zum Frühjahr auf eine - im Nizza-Vertrag festgelegte - Verkleinerung der EU-Kommission und einen Mechanismus für die Rotation der Kommissare zwischen den EU-Staaten einigen.
Quelle: ntv.de