Dossier

Neues Familienmodell untersucht Wir "Regenbogenkinder"

Annie ist noch ziemlich neu auf dieser Welt. Sechseinhalb Wochen, um genau zu sein. Auf dem Küchentisch liegt noch die Geburtsanzeige, auf feinem Papier, in mädchen-rosa und auf alt gemacht: "Mit großer Freude geben wir die Geburt unserer Tochter bekannt. ..". Nichts Besonderes im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg, wo derzeit viele Kinder geboren werden. Außer, dass unter der Geburtsanzeige die Namen zweier Frauen stehen: Catrin und Yvi Schmitt.

Der Lesben- und Schwulenverband Berlin warb schon 2007 unter dem Slogan "Familie ist wo Kinder sind!" für die Gleichstellung von schwulen und lesbischen Paaren mit Kindern.

Der Lesben- und Schwulenverband Berlin warb schon 2007 unter dem Slogan "Familie ist wo Kinder sind!" für die Gleichstellung von schwulen und lesbischen Paaren mit Kindern.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Die kleine Annie ist eines von mindestens 6600 Kindern, die inzwischen in Deutschland in "Regenbogenfamilien" groß werden. Kinder also, die nicht mit Vater und Mutter aufwachsen, sondern mit zwei lesbischen Müttern oder zwei schwulen Vätern. Der Name leitet sich von der Regenbogenflagge ab, dem weltweiten Symbol der selbstbewusst auftretenden Homosexuellen. Nach einer Studie der Universität Bamberg könnten es bundesweit sogar schon mehr als 12 000 "Regenbogenkinder" sein.

Nur selten zwei Väter

Die meisten davon sind in Großstädten zu Hause, fast alle in Frauen-Haushalten. Zwei Väter sind die große Ausnahme. Derzeit stammt die Mehrheit der Kinder noch aus früheren heterosexuellen Beziehungen. Doch zunehmend entscheiden sich gerade lesbische Frauen für ein gemeinsames Kind. "Wir sind so etwas wie die erste Generation", sagt die Kommunikationsdesignerin Catrin Schmitt (38), die mit der Friseurin Yvi Schmitt (37) in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft zusammenlebt.

Die beiden sind für die Szene fast schon so etwas wie eine Modell-Familie. Außer, dass sie den Trend zum Einzelkind brechen: Annie hat schon einen Bruder, Ben Bela, zweieinhalb. Die beiden Kinder wurden in künstlicher Befruchtung gezeugt, mit dem Samen eines schwulen Freundes. Leibliche Mutter ist Catrin Schmitt. An Vaters Stelle findet sich auf den Geburtsurkunden aber nur ein Strich.

Ein lesbisches Paar mit Kind auf der "Gay Pride"-Parade 2009 in Toronto.

Ein lesbisches Paar mit Kind auf der "Gay Pride"-Parade 2009 in Toronto.

(Foto: REUTERS)

Im Unterschied zu Hetero-Ehen ist bei einer künstlichen Befruchtung der gleichgeschlechtliche Lebenspartner nicht automatisch Elternteil. Die einzige Möglichkeit, wie nichtleibliche Mütter eine rechtliche Elternschaft bekommen, ist seit 2005 eine "Stiefkind- Adoption", wie dies im Juristendeutsch heißt. Inzwischen ist Ben von Yvi Schmitt "zu-adoptiert". Bei Annie wird das noch eine Weile dauern.

Aus ihrer Lebensform machen die beiden Mütter weder Programmm noch Geheimnis - was in Berlin natürlich leichter fällt als in der Provinz. "Früher hattest Du einfach Angst, dass Du nicht in die Gesellschaft passt", sagt Catrin Schmitt. "Wenn wir vor 20 Jahren so eine Geburtsanzeige verschickt hätten, wäre viel Schweigen gekommen. Jetzt gab es nur positive Reaktionen. Vielleicht gibt es auch Leute, die denken: "Die haben sie nicht alle." Aber das sollen die dann auch denken. Auf jeden Fall hatten wir noch kein Graffiti an der Haustür."

Im Duden angekommen

Im Auftrag des Bundesjustizministeriums hat sich nun die Universität Bamberg auf 356 Seiten mit dem Thema befasst. Demnach sind gleichgeschlechtliche Eltern genau so gute Eltern wie andere, und auch die Kinder entwickeln sich ohne Besonderheiten. Hänseleien von anderen Kindern ("Du hast ja gar keinen Papa") stecken sie weg. Die Forscher fanden sogar heraus, dass Mädchen aus "Regenbogenfamilien" mädchenhafter erzogen werden und Jungs jungenhafter - weil die Eltern stärker auf Geschlechterrollen achten.

Als Konsequenz fordert Justizministerin Brigitte Zypries nun das volle Adoptionsrecht für Paare gleichen Geschlechts. "Wir sollten nicht auf halbem Wege stehenbleiben." Von FDP und Grünen bekam die SPD-Politikerin Unterstützung, Widerstand kam vom Koalitionspartner CDU/CSU. Einen Erfolg kann Zypries aber immerhin schon verbuchen: Seit diesem Jahr steht der Begriff "Regenbogenfamilie" im Duden.

Quelle: ntv.de, Christoph Sator, dpa

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