Dossier

Pflüger im n-tv.de Interview "Wir müssen umdenken"

Wird das Regieren mit fünf Parteien schwieriger? Und sollten die Parteien vorzeitige Koalitionsaussagen während des Wahlkampfes künftig lieber vermeiden? Der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Friedbert Pflüger, über neue Bündnisse, die Strategie der Union und den Umgang mit der Linken.

n-tv.de: Herr Pflüger, ausgehend von den Landtagswahlen in Hessen, kann man sicherlich behaupten, dass es zunehmend schwieriger werden wird, Koalitionen aus nur zwei Parteien zu bilden. Das, was einmal als Ausnahme galt, wird offenbar die Regel werden, nämlich zu dritt in einem Boot zu sitzen. Was könnte das Konzept für die Zukunft sein?

Friedbert Pflüger: Gerade Niedersachsen hat gezeigt, dass eine stabile schwarz-gelbe Koalition möglich ist. Das heißt, ich glaube den ganzen Thesen nicht, dass die Republik nach links gerutscht sei. Die Linke ist meiner Meinung nach eine Protestpartei und besteht vorwiegend aus alten DKP- oder SED-Genossen. Ein Großteil des Protestpotentials, der heute die Linke wählt, würde unter anderen Umständen auch rechte Parteien wählen. Deshalb glaube ich auch nicht an eine dauerhafte Etablierung der Linken im deutschen Parteiengefüge.

Das Beispiel der SPD zeigt doch aber, dass die Sozialdemokraten nicht mehr in der Lage sind, den linken Rand abzuschöpfen. Offenbar hat das Land neue Parteien aus anderen Spektren gebraucht, wie seinerzeit die Grünen.

Das sehe ich anders. Als Demokraten sollten wir vielmehr versuchen, die Protestwähler aufzufangen und so die Linke wieder entbehrlich zu machen. Im Übrigen haben in dieser Frage die Sozialdemokraten versagt. Kurt Beck wollte mit dem Linksruck und dem Absetzen von der Mitte Gerhard Schröders die Linke überflüssig machen. Hier ist aber das Gegenteil geschehen. Mit dem Aufgreifen der Themen der Linkspartei hat Beck die Linke hoffähig gemacht. Das ist ein grundlegender strategischer Fehler, den die Sozialdemokraten gemacht haben. Wenn die SPD daraus lernen könnte für die Zukunft, dann könnten wir auch versuchen, mit gemeinsamen Kräften die Linke wieder aus den Parlamenten zu drängen.

Aber hat nicht auch Roland Koch mit seiner Politik der Polarisierung versäumt, sich Optionen offen zu halten, statt nur nach Schwarz-Gelb zu schielen?

Eine bürgerliche Koalition und CDU und FDP ist natürlich die bevorzugte Option. Klar ist allerdings, dass in einem Fünf-Partein-System Zweierbündnisse außerhalb einer großen Koalition grundsätzlich schwer durchsetzbar werden. Es ist in jedem Fall klug, wenn sich die CDU in Zukunft unter Wahrung der eigenen Identität auch anderen denkbaren Optionen, vor allem den Grünen, öffnet. Das muss langsam geschehen, muss sich an Inhalten festmachen und es darf nicht als bloße Machtoption gedacht werden. Dafür müssen Schnittmengen gesund und persönliche Kontakte aufgebaut werden. Das braucht seine Zeit. Dies ist in Hessen heute eher unwahrscheinlich.

Darf ich das so werten, dass das "System Koch" damit ausgedient hat?

Den Linken ist es mit nur 2000 Stimmen mehr gelungen, die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen und so das Parteiengefüge durcheinander zu bringen. Wäre dies nicht geschehen, hätten wir heute eine klare Mehrheit für CDU und FDP im hessischen Landtag mit Roland Koch als altem und neuem Ministerpräsidenten. Grundsätzlich gilt und Hessen beweist dies ja: Es gibt immer wieder andere Konstellationen. Hessen beweist ja, dass es große Wählerbewegungen in die eine oder andere Richtung geben kann. Deshalb halte ich es für klug, sich nicht im Voraus auf die eine oder andere Option festzulegen. Wir sollten in Zukunft nach gemeinsamen politischen Schnittmengen suchen, persönliche Kontakte zwischen den demokratischen Parteien und Fraktionen ausweiten und vor allem alte Vorurteile über Bord werfen.

Bringt es denn überhaupt noch etwas, im Vorfeld einer Wahl durch die Lande zu ziehen und Sprüche wie "Wir sind nicht die Steigbügelhalter für die SPD" zu klopfen? Das sind Wahlversprechen, die nichts bringen und künftige Konstellationen nur unter Gesichtsverlust zulassen.

Klar ist, dass man seine Wahlversprechen einhalten muss, sonst wird man unglaubwürdig. Jetzt gibt es in Hessen ein klares Wahlversprechen von Seiten der SPD: Frau Ypsilanti hat sich festlegt, sie werde auf keinen Fall Rot-Rot-Grün machen und die FDP hat erklärt, sie sei nicht zu einer Zusammenarbeit mit SPD und Grünen bereit. Was bleibt ist also eine große Koalition und Jamaika (Schwarz-Gelb-Grün). Herr Beck kann sich offenbar eine große Koalition nur schwer vorstellen, was nicht heißt, dass Schwarz-Rot in Hessen ausgeschlossen ist. Zudem hat Herr Koch verlauten lassen, dass er Gespräche mit allen Parteien, mit Ausnahme der Linken, führen werde. Ich denke, hier zeichnet sich eindeutig der Wille zu einer Regierungsbildung ab. Ich möchte nochmals betonen, dass wir hier in Berlin mögliche Koalitionen nicht im Vorfeld ausschließen werden. Alles andere wäre töricht. Für die Zukunft gilt: Es muss einfach mehr machbar sein, als eine konstruktive Zusammenarbeit in der Opposition.

Was halten Sie von der These der Rochade, dass man versuchen könnte, Köpfe auszutauschen, um zu einer sachlichen Politik zurückzukehren?

Es ist gewiss nicht meine Aufgabe, mich dazu zu äußern. Roland Koch ist der CDU-Parteivorsitzende in Hessen und er braucht keine Ratschläge von außerhalb. Er wird das Richtige machen.

Mit Friedbert Pflüger sprach Peter Poprawa.

Quelle: ntv.de

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