"Millionen besitos" für Sarko Wirbel um Liebesbrief
01.10.2007, 11:02 UhrDer Schritt ist forsch, und unter dem Arm trägt der Präsident einen Stapel Akten. So ist der französische Präsident Nicolas Sarkozy auf einem Foto zu sehen, das ihn nach dem Verlassen einer Kabinettsrunde zeigt. Das Foto könnte ein langweiliges Protokollbild sein, hätte Sarkozy nicht einen privaten Brief auf seinen Papieren liegen, über dessen Bedeutung in Frankreich heftig spekuliert wird.
Hat Sarkozy eine Geliebte, die ihm "Millionen besitos (Küsse)" schickt, wie es etwa der Chefredakteur der Zeitschrift "Choc" annimmt? "Wir haben uns amüsiert, dass Sarkozy die Briefe seiner Geliebten während der Kabinettssitzung liest", sagte Christophe d'Antonio der Zeitung "Le Monde". Oder stimmt die offizielle Version, dass der Brief von einer Freundin stammt und an seine Ehefrau Ccilia gerichtet war? Solche Fragen werden derzeit eifrig in französischen Medien erörtert.
Auch die Erklärung des Regierungssprechers, der die konservative Politikerin Isabelle Balkany als Autorin des Briefes genannt hatte, schaffte das Thema nicht aus der Welt. Wenn der Brief an Ccilia gerichtet war, warum hat Sarkozy ihn dann im Ministerrat dabei? fragt "Le Monde". Zudem ist die französische Grammatik so präzise, dass sich aus dem Schreiben das Geschlecht des Empfängers ablesen lässt - und das ist männlich. In dem Brief heißt es unter anderem: "Ich habe den Eindruck, Dich seit einer Ewigkeit nicht mehr zu sehen, und Du fehlst mir."
Bislang war das Liebesleben französischer Staatschefs in den französischen Medien weitgehend tabu. Seit Nicolas Sarkozy an die Macht gekommen ist, hat er jedoch selber gehörig dazu beigetragen, sein Privatleben in den Medien auszubreiten. In seiner politischen Programmschrift "Tmoignage" erwähnt er etwa auch die vorübergehende Trennung von Ccilia und schreibt dazu: "Jetzt haben wir uns wiedergefunden, und jetzt ist es ganz sicher für immer." Das Satireblatt "Canard Enchan" warf ihm erst kürzlich vor, Ccilia ins Scheinwerferlicht zu schieben und sich anschließend zu beschweren, wenn Journalisten sich für sein Privatleben interessierten.
Die "Brief-Affäre" war bekannt geworden, weil es zunächst nach einer Selbstzensur der Medien aussah. Die Klatschzeitschrift "Choc" hatte eine Doppelseite im letzten Moment zurückgezogen, die den Inhalt des privaten Briefes zeigte. Es erinnerte an ähnliche Fälle in der Vergangenheit: "Paris Match" retuschierte erst kürzlich auf einem Urlaubsbild des Präsidenten dessen Hüftspeck weg. Und die Zeitung "Journal du Dimanche" hatte nach der Präsidentschaftswahl einen Artikel zurückgezogen, der erwähnte, dass Ccilia bei der Stichwahl auf die Stimmabgabe verzichtet hatte.
Medien und Politik sind in Frankreich nicht ganz so eng verwoben wie in Italien während der Präsidentschaft von Silvio Berlusconi - aber Parallelen sind durchaus erkennbar. So nennt Sarkozy den Verleger Arnaud Lagardre, zu dessen Mediengruppe sowohl "Paris Match" als auch "Choc" gehören, seinen "Bruder". Ein früherer Chefredakteur von "Paris Match" verlor 2005 seinen Posten, als die Zeitschrift während der vorübergehenden Trennung der Sarkozys ein Bild von Ccilia mit einem anderem Mann veröffentlichte.
Von Ulrike Koltermann, dpa
Quelle: ntv.de