Berliner SPD im Sympathie-Tief Wowereit scheitert wieder
08.10.2009, 14:00 UhrKurz nach der Wahl fiel auch Wowereits Name als möglicher zukünftiger Kanzlerkandidat. Er macht Wind gegen die Bundes-SPD, führt sein Berlin aber selbst nicht gerade erfolgreich.

Klaus Wowereit ist in den engsten SPD-Führungskreis aufgestiegen - mit einem schlechten Wahlergebnis.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Klaus Wowereit muss Steherqualitäten beweisen. So dicke kam es für Berlins Regierenden Bürgermeister und die SPD lange nicht. Mit der Niederlage vor dem Landes-Verfassungsgerichtshof mussten die Hauptstadt-Sozialdemokraten als führende Kraft der bundesweit einzigen rot-roten Regierung die dritte schallende Ohrfeige innerhalb einer Woche einstecken. Bei der Bundestagswahl fuhr die Berliner SPD mit 20,2 Prozent ihr niedrigstes Ergebnis seit 1946 ein. Und der langersehnte Aufstieg Wowereits in den engsten Führungskreis der Bundes-SPD wurde durch seine 61,1 Prozent - das schlechteste von sechs Wahlergebnissen bei der Nominierung durch den SPD-Vorstand - kräftig versalzen.
Mit ihrem Urteil haben Verfassungsrichter zum dritten Mal innerhalb von drei Jahren maßgebliche Beschlüsse des Senats kassiert. Handwerklich schlecht und juristisch nicht haltbar waren schon Berlins Finanzklage vor dem Bundesverfassungsgericht 2006 und das Nichtraucherschutzgesetz, das 2008 in Karlsruhe scheiterte. Nun hat das Berliner Verfassungsgericht einen Rüffel in Sachen direkter Demokratie hinzugefügt: Der Senat stoppte demnach die Volksbegehren zur Kita-Ausstattung und zur Wasserbetriebe-Privatisierung zu Unrecht - und schoss überdies ein klassisches Eigentor. Er beachtete die von ihm selbst 2006 gesenkten Hürden für direkte Demokratie in den nun gekippten Senatsbeschlüssen nicht, urteilten die Richter.
Berlin als Forschungsstandort beschädigt
Es war nicht die erste gute Idee, die der Senat schlecht umsetzte. Die große Schulreform mit Abschaffung der Haupt- und Realschulen wurde völlig von dem Randthema überschattet, 30 Prozent der Plätze an besonders begehrten Gymnasien zu verlosen. Das Renommée des größten Universitätsklinikums in Europa - der im nächsten Jahr 300 Jahre alten Charité - zerredet der Senat gerade in einer heftigen Finanzdebatte. Der Streit, wie teuer die Sanierung der teils maroden Krankenhäuser sein darf, beschädigt den Forschungsstandort Berlin.

Klaus Wowereit wird für seinen Stil in der Bundes-SPD nicht nur geschätzt.
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Das Maß der Leidensfähigkeit ist bei vielen Berliner Sozialdemokraten nach dem desaströsen Ergebnis bei der Bundestagswahl voll. War die SPD 2005 noch überlegene Siegerin mit 34,3 Prozent, stürzte sie in vier Jahren um 14,1 Punkte. Deshalb wird auf dem Landesparteitag am 10. Oktober eine heftige Debatte über die Ursachen der Wahlniederlage erwartet. Landes- wie Bundes-SPD rücken nach links. Dagegen rebellieren bereits die Rechten in der Berliner SPD. "Politikansätze, die darauf abzielen, die Linkspartei links zu überholen, lehnen wir ab", heißt es in einem internen Papier.
Landesvorstand rebelliert gegen die Bundes-SPD
Unter den Hauptstadt-Genossen brodelt es, seit der Berliner SPD-Vorstand als erster Landesverband vor allem der Bundes-SPD die Schuld an der Wahlniederlage gab. Die bisherige Parteiführung mit Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier, SPD-Chef Franz Müntefering und Vize Peer Steinbrück sei "untrennbar mit der Agenda-Politik ab 2003 bzw. der abgewählten großen Koalition ab 2005 verbunden", heißt es in der Resolution. SPD-Chef Michael Müller nannte zwei Tage nach der Bundestagswahl als erster die vier Namen für eine verjüngte SPD-Führung, die eine Woche später auch nominiert wurden: Sigmar Gabriel, Andrea Nahles, Olaf Scholz und Wowereit.
Ebenso verlangte der Landesvorstand, vom Koalitionstabu mit der Linken auch im Bund abzurücken. Die SPD habe die Linke "zunächst ignoriert, dann tabuisiert. Beides war wenig erfolgreich." Diese glasklare Schuldzuweisung stieß vielen SPD-Genossen im Bund übel auf. Der für klare Worte bekannte Finanzminister Peer Steinbrück tobte im Bundesvorstand gegen Wowereit und bezichtigte ihn der Illoyalität.
Niederlagen lässt sich der lange Zeit erfolgsverwöhnte Regierungschef äußerlich nicht anmerken. Aber so dick kann das Fell Wowereits gar nicht sein, dass ihn diese Pleitenserie nicht ankratzt. Auf dem Parteitag muss er mit Gegenwind rechnen. Ätzende Kritik aus dem Mund des noch amtierenden SPD-Chefs muss der künftige Partei-Vize dagegen nicht fürchten. War Franz Müntefering vor Wochen als Gastredner angefragt, "ist seine Teilnahme im Zuge der neuen Entwicklungen hinfällig geworden", hieß es aus Berliner SPD-Zentrale.
Quelle: ntv.de, Kirsten Baukhage, dpa