Generalprobe für Koch-Sturz Ypsilanti braucht jede Stimme
30.09.2008, 08:12 UhrBei ihrem zweiten Anlauf für eine Regierungs-Übernahme in Hessen muss Andrea Ypsilanti am 30. September eine weitere Hürde nehmen: Probeabstimmungen der Landtagsfraktionen von SPD, Grünen und Linken. Für die hessische SPD-Vorsitzende kommt es bei dieser Generalprobe auf jede Stimme an. 41 von 42 Sozialdemokraten, 9 Grüne und 6 Linke müssen für sie votieren. Nur so wird sich im November bei einer möglichen Ministerpräsidenten-Wahl im Landtag die Mehrheit von 56 der 110 Abgeordneten erreichen und CDU- Regierungschef Roland Koch stürzen lassen.
Eine SPD-Stimme ist für Ypsilanti verloren: Die Darmstädter Abgeordnete Dagmar Metzger lehnt das Vorhaben ab, eine rot-grüne Minderheitsregierung mit Hilfe der Linkspartei ins Amt zu bringen. Während die drei Parteien vor der Abstimmung Geschlossenheit demonstrieren, hoffen die geschäftsführend regierende Union und die FDP auf ein Scheitern. Fehlt auch nur eine Stimme, will Ypsilanti ihren umstrittenen Versuch abblasen.
Koch glaubt nicht an Ypsilantis Vorhaben
Ministerpräsident Koch sieht sich in seinem Amt noch nicht bedroht. "Ich glaube, dass das, was Frau Ypsilanti versucht, am Ende nicht zum Erfolg führt." Zu unterschiedlich seien die drei Gruppierungen, zu groß das gegenseitige Misstrauen. "Dieses Misstrauen manifestiert sich in extremer Weise bei den Grünen."
Die Probeabstimmung war tatsächlich nicht die Idee der SPD - die hessischen Grünen bestanden darauf. Im März scheiterte Ypsilanti beim ersten Versuch eines Regierungswechsels an der Zerstrittenheit der eigenen Partei. Diesmal will Grünen-Chef Tarek Al-Wazir von der SPD wissen, "ob wir auf ein hochseetaugliches Schiff steigen oder auf ein knallrotes Gummiboot".
Die SPD sieht die Probeabstimmungen gelassen: "Wenn wir nicht sicher wären, würden wir das nicht machen." Ypsilanti hat über Wochen vorgearbeitet. So kritisch ihr Kurs auch in Berlin gesehen werden mag - die hessische SPD-Basis sandte in vier Regionalkonferenzen ein Signal: "Andrea, mach' es!" Wenn die Generalprobe klappt, steht auf dem Parteitag am 4. Oktober der nächste Schritt an: Die Entscheidung über die Aufnahme offizieller Koalitionsverhandlungen mit den Grünen.
Heide Simonis' Schicksal droht
CDU und FDP hoffen trotzdem auf einen - wie sie es nennen - "aufrechten Sozialdemokraten", der mit Nein stimmt. "Ich weiß, dass viele mit sich ringen, ob man den Weg gehen kann", meint Koch. Tatsächlich ist die interne Abstimmung für Skeptiker in der SPD-Fraktion die letzte Gelegenheit, das Projekt zu stoppen, ohne Ypsilanti im Landtag bloßzustellen, wie es vor einigen Jahren der früheren Regierungschefin von Schleswig-Holstein, Heide Simonis (SPD), geschah. Der fehlte bei der Wahl zur Ministerpräsidentin viermal eine Stimme aus den eigenen Reihen.
Die Skepsis könnte Nahrung bekommen haben durch das Verhalten der Linken in der letzten Plenarwoche. Fraktionschef Willi van Ooyen musste sich für unbedachte Beleidigungen anderer Parteien entschuldigen. Die Linkspartei beharrte darauf, illegal eine Hütte im Waldcamp von Gegnern eines Ausbaus des Frankfurter Flughafens zu errichten. CDU und FDP geißelten eine mangelnde Rechtsstaatlichkeit von Ypsilantis Helfertruppe. Bei der Probeabstimmung wollen die Linken aber ganz brav sein. "Die sechs Stimmen für Andrea Ypsilanti sind sicher", sagte Fraktionssprecher Thomas Klein.
Scheitert Ypsilanti bei der Probeabstimmung, bleiben drei Wege zur Klärung der hessischen Verhältnisse: Neuwahlen, eine Koalition aus CDU, FDP und Grünen, oder eine große Koalition. Ypsilantis Tage als SPD-Chefin in Hessen dürften bei jeder dieser Varianten gezählt sein.
Friedemann Kohler, dpa
Quelle: ntv.de