Dossier

Schäfer-Gümbel bei n-tv.de "Ypsilanti hat viel erreicht"

Der neue Spitzenkandidat der hessischen SPD erteilt Rücktrittsforderungen an Andrea Ypsilanti eine Absage. "Sie hat für die SPD insgesamt viel Gutes erreicht, unter anderem durch das mutige Programm, das sie entwickelt hat", erklärt Thorsten Schäfer-Gümbel im Interview mit n-tv.de. Zwar konzentriert sich der 39-Jährige derzeit noch voll auf seine Spitzenkandidatur für die Landtagswahlen im Januar. Aber er kündigt an, auch danach eine führende Rolle in der hessischen SPD spielen zu wollen. Im Gespräch mit n-tv.de spricht "TSG" außerdem über seinen Wahlkampfschwerpunkt Finanzpolitik, den Generationenwechsel in der hessischen SPD und wie er der kriselnden Automobilindustrie helfen will.

n-tv.de: Herr Schäfer-Gümbel, empfinden Sie die Spitzenkandidatur für die hessische SPD angesichts der schwierigen Ausgangslage als Neustart oder Ende Ihrer politischen Karriere?

Schäfer-Gümbel: Definitiv als Neustart. Das ist jetzt die Einleitung eines Generationenwechsels, der fängt erst an, er endet nicht.

Was hat denn Ihre Frau zu Ihrer Kandidatur gesagt?

Die erste Reaktion verrate ich niemandem, die zweite war dann Unterstützung.

Mit welcher Hoffnung gehen Sie in den Wahlkampf?

Ich will ein gutes Ergebnis für die Sozialdemokratie in Hessen holen. Die Grundlage dafür sind unsere Themen und unser Programm, das etwa in der Frage der Bildungsgerechtigkeit große Sympathien in der Bevölkerung hat. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Frage der "guten Arbeit" – wie organisieren wir den Mindestlohn und wie sichern wir Beschäftigung, gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Der dritte Punkt ist die Energiewende, weil es dabei auch um eine Frage von Generationengerechtigkeit geht. Letztlich wird es wegen der drohenden Wirtschaftskrise, die auch in Hessen angekommen ist, um zusätzliche inhaltliche Akzentuierungen gehen. Da arbeiten wir gerade mit Hochdruck dran. Sie dürfen nicht vergessen, dass ich gerade eine Arbeit aufgenommen habe, für die Parteistrategen sonst ein bis zwei Jahre Zeit haben. Ich muss das nun innerhalb von sieben Tagen organisieren.

Wann geben Sie denn Ihre inhaltliche und personelle Aufstellung für den Wahlkampf bekannt?

Gehen Sie davon aus, dass die ersten Akzente in Kürze kommen.

Verraten wollen Sie noch nichts?

Nein.

Wird der Energieexperte Herrmann Scheer weiter eine so prominente Rolle in Ihrem Wahlkampfteam spielen?

Ich bin im Gespräch mit verschiedenen Menschen, auch über die Frage, wie wir uns personell aufstellen. Da bitte ich einfach um ein bisschen Geduld. Ich bin jetzt seit rund 96 Stunden Spitzenkandidat. Ich gelte zwar als fleißig, zügig in Entscheidungen und Analyse, aber das sind alles Entscheidungen, die eine große Tragweite haben. Deshalb bereite ich das in der Kürze der Zeit mit der gebotenen Sorgfalt vor.

Mit welchem Ergebnis wären Sie bei der Landtagswahl zufrieden?

Da lasse ich mich auf keine Spekulationen ein. Wir sind in einer schwierigen Ausgangslage, deswegen darf man in den Wahlkampf auch nicht naiv reingehen. Im Januar haben die Wählerinnen und Wähler das Wort. Um deren Vertrauen werbe ich jetzt.



Sie sprechen vom "Generationenwechsel", den Sie einleiten möchten, streben derzeit aber weder Partei- noch Fraktionsvorsitz an. Ist das nicht unglaubwürdig?

Das hat nichts mit Unglaubwürdigkeit zu tun, sondern mit der Frage: Wie viel Kraft können sie für welche Aufgabe zu welchem Zeitpunkt aufwenden. Wir haben in 67 Tagen Wahlen. Ehrlich gesagt erwartet man dabei von mir fast so etwas wie ein Wunder, es ist eine riesige Herausforderung. Deswegen konzentriere ich mich jetzt ausschließlich auf diese Aufgabe: die Spitzenkandidatur für die SPD Hessen.

Bleibt Andrea Ypsilanti aufgrund ihrer Vorgeschichte eine Belastung für einen echten Neuanfang? Müsste sie nicht um der Glaubwürdigkeit willen Ihre Ämter niederlegen?

Nein. Andrea Ypsilanti hat für die SPD insgesamt viel Gutes erreicht, unter anderem durch das mutige Programm, das sie entwickelt hat. Dieses Programm hat etwa den Populisten von der Linkspartei erhebliche Schwierigkeiten bereitet; es hat auch gezeigt, dass die Themen Energiewende und ökologischer Umbau in der Sozialdemokratie ihren festen Platz haben. Damit hat sie uns für andere Wählerschichten geöffnet. Das ist ihr großes Verdienst. Andrea Ypsilanti hat die Verantwortung für einen großen Fehler übernommen, nämlich die Kooperation mit der Linkspartei vor der Wahl ausgeschlossen zu haben und es danach doch machen zu wollen. Es hatte ja gute Gründe gegeben, eine Kooperation auszuschließen.

Welche Gründe meinen Sie?

Wir wollten bei der Landtagswahl 2008 den Beweis antreten, dass es die Linkspopulisten nicht braucht. Vor allem beim Thema Gerechtigkeit. Sie können mir glauben, dass niemand enttäuschter war als wir, als wir nach dem 27. Januar feststellen mussten, dass eine nennenswerte Anzahl von Wählerinnen und Wählern diese Auffassung nicht geteilt haben.



Sie schließen nun überhaupt keine Koalitionen mehr aus. Sind die Gründe für eine Ablehnung so schnell weggefallen?

Die Frage, wer für uns ein möglicher Kooperationspartner ist, hängt von zwei Punkten ab. Zuerst müssen wir ein Wahlergebnis erreichen, das uns in die Lage versetzt, mit anderen Parteien über Regierungsbildung zu reden. Zweitens: In welcher Koalition können wir die meisten sozialdemokratischen Inhalte umsetzen. Das kann dann die Linkspartei sein, das kann aber auch die CDU sein oder Grüne und Liberale. Anstatt über Koalitionen möchte ich endlich wieder über Inhalte reden, und ich glaube, dass es den meisten Menschen auch so geht.

Trotzdem wird durch das Verhalten Ypsilantis die Koalitionsfrage ein wichtiges Thema bleiben.

Wir haben da ja auch einen Fehler gemacht und gehen jetzt nicht einfach zur Tagesordnung über. Aber auch in einer solchen Krisensituation kann man nicht nur sagen, wie schlecht es einem geht, sondern muss angesichts der Schwierigkeiten, vor denen wir stehen, auch mutig vorangehen. Wir haben in Frankfurt am Main den größten Finanzplatz Europas, wir haben drei große Automobilbauer in Hessen, wir haben Maschinenbauunternehmen sowie Unternehmen der pharmazeutischen und chemischen Industrie. Die alle kämpfen im Moment mit ganz anderen Herausforderungen, das gilt erst recht für den gesamten Mittelstand. Sie alle erwarten nun, dass die Politik im Rahmen ihrer Möglichkeiten Antworten liefert.

Die Finanzkrise wird also zwangsweise eines Ihrer wichtigsten Themen werden?

Ganz sicher.

Wird sich das in Ihrem Wahlkampfteam auch personell ausdrücken?

Ich führe darüber im Moment noch Gespräche, das werden wir dann sehen.

Ihre Chancen auf einen Wahlsieg bei den Landtagswahlen sind derzeit nicht besonders hoch. Ohne ein Spitzenamt in der Partei oder Fraktion zu haben: Ziehen Sie sich nach verlorener Wahl einfach wieder in die zweite Reihe zurück?

Noch einmal: Wir haben den Generationenwechsel eingeleitet. Ich bin auch niemand, der nur die 68 Tage bis zur Wahl auf dem Platz steht und dann wieder in die Kabine geht. Viel mehr kann ich dazu heute nicht sagen, weil ich unserem neuen Wahlslogan folge: Einen Kloß nach dem anderen.

Das heißt, egal wie die Wahl ausgeht, wir dürfen weiterhin mit Ihnen als prominentem Spitzenmann der SPD in Hessen rechnen?

Das hinterlege ich Ihnen beim Notar.

Zum Schluss erlauben Sie mir eine Frage zu Ihrem Namen: Thorsten Schäfer-Gümbel ist ein sehr auffälliger Name, was von Vorteil sein kann. Gibt es denn auch einen gängigen, kürzeren Spitznamen für Sie?

Ja, TSG nennen mich viele. Den Namen verdanke ich einem Verein aus meiner Region, dem TSG Leihgestern, bei dem ich am Sonntag beim Fußball dabei sein werde.

Mit Thorsten Schäfer-Gümbel sprach Till Schwarze.

Quelle: ntv.de

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