Angriff auf allen Fronten Zapatero: Der sanfte Revolutionär
14.02.2005, 00:00 UhrEinst als Bambi verspottet, hat Zapatero Spanien eine Kur verordnet, die es in sich hat. Nicht die wirtschaftliche Modernisierung treibt ihn um, sondern die gesellschaftspolitische. Aus Spanien soll eine Musterdemokratie werden.
VON LARISSA VASSILIAN
Eigentlich müsste man Jos Luis Rodrguez Zapatero auf Fotos mit Hammer und Meißel darstellen. Denn der seit 1978 fünfte spanische Ministerpräsident ist dabei, sein Land gehörig umzumodellieren.
Erst knapp neun Monate ist Zapatero nun im Amt – und schon ist nichts mehr wie es war. Denn vorher, das war die Zeit des konservativen Jos Mara Aznar: Und so will es der sozialistische Zapatero auf keinen Fall mehr haben. Seine erste Amtshandlung bestand darin, die spanischen Truppen aus dem Irak abzuziehen. Der Sozialist verspricht kurz nach seiner Wahl den Aufbau einer "Musterdemokratie", eine Radikalkur auf der ganzen Linie. Und beginnt sofort mit den Umbauarbeiten.
Mehr Wahrheit, mehr Bildung, mehr Freiheit
Auf seiner Liste steht vieles: Das öffentliche Fernsehen soll sich von seinem Image als Propagandasender lösen, und stärker selbständig arbeiten. Der Senat soll aufgewertet, Frauen sollen besser vor gewalttätigen Männern geschützt werden. Zapatero sorgt dafür, dass die Stipendien um fast die Hälfte erhöht werden, damit Bildung auch für ärmere Familien bezahlbar wird. Er kümmert sich um gleichgeschlechtliche Ehen ebenso wie um den Religionsunterricht in Schulen. Er stoppt den Mammutstaudamm am Unterlauf des Ebros, ein Lieblingsprojekt seines Vorgängers, aber ökologisch äußerst umstritten. Ebenso modern sind Zapateros Ansichten bezüglich Abtreibung und Stammzellenforschung. Eine Schonfrist gönnt sich Zapatero nicht - dafür gibt es zu viel zu tun.
All jene, die Zapatero eigentlich nichts zutrauten, die ihn wegen seiner blauen Augen und seines sanften Auftretens nicht ernst nahmen und ihn "Bambi" tauften, müssen nun umdenken. Denn der Ministerpräsident ist eifrig und diszipliniert und hat sich konkrete Ziele gesteckt. Sein sozialistischer Wiederaufbau Spaniens lehnt sich an Modelle aus Mittel- und Nordeuropa an. Seine erste Amtsreise führte ihn nach Deutschland: zu Gerhard Schröder. Auch wenn Tony Blair eigentlich auf seiner Wellenlänge ist, gibt es hier das Konfliktpotenzial Gibraltar, das Zapatero immer wieder offen anspricht.
Angst vor niemand
Zapatero hat keine Scheu vor Konflikten. Auch wenn er sanft wirkt, hält er doch strikt seinen Kurs ein. Auf diesen Weg geführt hat den 43-jährigen Juristen ohne Zweifel die Familie. Seit Generationen ist sie politisch links geprägt. So war Zapateros Großvater ein unbeugsamer Republikaner, der gegen Francos Truppen kämpfte und 1936 von den Faschisten hingerichtet wurde. Mit 18 schloss sich sein Enkel den Jungsozialisten an. 1986, mittlerweile tief in der PSOE-Partei verankert, wurde er zum jüngsten Parlamentsmitglied Spaniens.
1990 heiratete der als stets höflicher und umgänglicher Mann bekannte Zapatero Sonsoles Espinosa. Mittlerweile hat der passionierte Fußballfan zwei Töchter, Laura und Alba.
Die nötigen Wählerstimmen errang seine Partei vor allem durch den Terroranschlag auf den öffentlichen Nahverkehr in Madrid am 11. März 2004. Zapatero sprach sich klar für den Kampf gegen den Terror aus; er stellte sich jedoch ebenso gegen eine Spaltung Spaniens, und spielte so auf die vorschnelle Stigmatisierung der ETA durch seinen Vorgänger Aznar an. Denn die spanische Gesellschaft ist nach wie vor von starken Rissen durchzogen: Daran haben sowohl die baskischen und katalanischen Separatisten Anteil, als auch die Spätfolgen des Franco-Regimes. Nach wie vor misstrauen sich ehemaliges Arbeitermilieu und die erzkatholische Schichten.
Doch gespalten wird Spanien derzeit auch durch Zapateros unblutige Revolution und seine oft unkonventionellen Entscheidungen. Es bleibt abzuwarten, ob er das Land stärker zusammenhalten kann, als seine Vorgänger dies vermochten.
Quelle: ntv.de