Dossier

Scientology-Haus in Berlin "Zufahrt ins deutsche Parlament"

Scientology geht in die Offensive: Mit dem Umzug in die sechsgeschossige Hauptstadt-Repräsentanz in Berlin nimmt die umstrittene Organisation Kurs auf das politische Zentrum der Republik - und sorgt bereits seit Tagen für Wirbel. Mit dem neuen Haus sollen "die nötigen Zufahrtsstraßen in das deutsche Parlament" gebaut werden, heißt es in einem internen Papier, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Das Gebäude mit polierter Glasfassade soll am Samstag offiziell eröffnet werden. Ob prominente Unterstützer wie der Hollywood-Star Tom Cruise auch zur Feier kommen, darüber schweigt sich die Organisation aus. Experten rätseln, ob Scientology mit bundesweit geschätzten 6.000 Anhängern nun seine Deutschland-Zentrale von München nach Berlin verlegt.

Der Berliner Scientology-Sprecher, Frank Busch, weist Vermutungen über einen Angriff auf die Bundespolitik zurück. Das interne Papier zur Umsetzung der "planetarischen Rettungskampagne" in der Hauptstadt spricht eine andere Sprache: Die Organisation will demnach "die obersten Etagen der deutschen Regierung in Berlin erreichen".

Ursula Caberta, Scientology-Expertin der Hamburger Innenbehörde, spricht von einer groß angelegten Kampagne. "Die wollen in allen Hauptstädten Europas vertreten sein." In Madrid, London und am EU-Sitz Brüssel wurden bereits Repräsentanzen gegründet.

"Wirtschaftsunternehmen mit totalitären Bestrebungen"

Die Anwohner der Zentrale in Berlin-Charlottenburg sind wegen der neuen Nachbarn in Sorge. Sie befürchten, dass vor den Schulen und auf der Straße missioniert wird. Denn Scientology bezeichnet sich selbst als Religionsgemeinschaft. Der Sektenbeauftragte der Evangelischen Kirche in Berlin, Thomas Gandow, spricht Scientology jede Form von Religion ab. "Die sind weder Kirche noch Sekte, sondern ein Wirtschaftsunternehmen mit totalitären Bestrebungen." Aussteiger schildern, dass Scientology mit Geräten ähnlich einem Lügendetektor die Schwächen Hilfesuchender ermittelt, um ihnen für die Behandlungen dann möglichst viel Geld abzunehmen.

Laut Scientology-Sprecher gibt es in Berlin 30 Räume, in denen Mitglieder von Vertretern der Organisation "behandelt" werden. Die Scientology-Lehre führe "häufig zu psychischer und finanzieller Abhängigkeit", warnt das Bundesfamilienministerium. Expertin Caberta berichtet von "Lagern für Gehirnwäsche", die Scientology unterhalte.

Nach mehreren Verfassungsschutzberichten verfügt Scientology über einen eigenen Nachrichtendienst, der sich "nicht an Recht und Gesetz gebunden sieht". Die Organisation wird wegen "Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung" vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet. Dem Berliner Landesamt wurde die Beobachtung allerdings aus Mangel an Beweisen verboten. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) will dennoch nicht untätig bleiben und prüfen, ob Scientology nun wieder observiert werden soll.

Über der Berlin-Zentrale prangt bereits in großen Lettern der Schriftzug "Scientology Kirche". In einem mehr als 500 Quadratmeter großen Informationszentrum im Erdgeschoss werden Lehre und Wirken von Scientology auf Tafeln und Bildschirmen gepriesen. "Fünf bis sechs Stunden dauert ein Rundgang", sagt Sprecher Frank Busch. Interviews werden gewöhnlich erst dann gewährt, wenn sich die Journalisten alle Beiträge angesehen haben. Im Gebäude bietet eine "Kapelle" Platz für rund 100 Menschen. Ein Büro ist dem vor 20 Jahren gestorbenen Science-Fiction-Autor und Gründer L. Ron Hubbard (1911-1986) gewidmet und bleibt immer frei.

(Arved Gintenreiter, dpa)

Quelle: ntv.de

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