Deutsch im Nordirak Zurückgekehrte Kurden
31.10.2007, 13:25 UhrEtwa 2500 Kurden sind in den viereinhalb Jahren seit dem Sturz des Saddam-Regimes aus Deutschland in den Nordirak zurückgekehrt. Während die Türken im Norden ihre Vorbereitungen für eine mögliche Offensive gegen die Kämpfer der verbotenen Arbeiterpartei PKK treffen, müssen sie sich fragen, ob die Rückkehr in das kurdische Autonomiegebiet wirklich die richtige Entscheidung war.
Als der Kurde Nihad Latif Kodscha (49) im Januar 2004 nach 23 Jahren im deutschen Exil in die alte Heimat zurückkehrte, war er voller Antriebskraft und Optimismus. In der nordirakischen Stadt Erbil, deren Bürgermeister er heute ist, wehte die kurdische Flagge mit der gelben Sonne. Mit Stolz und Eifer machte er sich an die Arbeit. Doch schon bald kam der erste Dämpfer. Kodscha, der deutscher Staatsbürger ist und Bonn als seine zweite Heimat bezeichnet, entkam knapp einem Attentat. Der Streifschuss des Angreifers hat eine kleine Narbe auf seiner Stirn hinterlassen.
Deutsche Bräuche im irakischen Vorgarten
Sein Bürgermeister-Job ist trotz der damit verbundenen Privilegien nicht leicht. "Ich bin einfach zu deutsch, deshalb habe ich in den drei Jahren hier auch so viele graue Haare bekommen", scherzt er. Der bei Männern im Irak verbreiteten Sitte, sich die Haare schwarz zu färben, kann er nichts abgewinnen. Seine kurdische Identität ist ihm wichtig, doch das hindert ihn nicht daran, gelegentlich im "Deutschen Hof" von Erbil einzukehren, wo Schnitzel und Gulaschsuppe auf der Speisekarte stehen. Das Lokal wird von einem Deutschen geführt, im Vorgarten stehen Gartenzwerge und die Bierkrüge sind etwa 20 Mal so groß wie ein irakisches Teeglas.
Wer sich in Erbil als Mann die Haare schneiden lassen will, kann das im Friseursalon "Stuttgart" tun. Und auf die Frage: "Sprechen Sie Arabisch oder Englisch?", bekommt man im nordirakischen Kurdengebiet oft die Gegenfrage gestellt: "Sprechen Sie nicht vielleicht Deutsch?"
Auch ein junger Kurde, der abends in einem Internetcaf in Erbil das Geld kassiert, freut sich, wenn er sein bruchstückhaftes Deutsch praktizieren kann. "Sechs Jahre war ich in Nürnberg", sagt er. "Ich habe sogar noch eine Aufenthaltsgenehmigung für Deutschland, aber mein Pass ist futsch - ich habe ihn verloren", sagt er.
Plötzlich reißt ein junger Kurde die Angestellten des Internetcafs aus ihren Gedanken. Er will seinen irakischen Pass scannen lassen, um über ein Nachbarland nach Großbritannien zu reisen. Die anderen jungen Männer haben Mitleid mit ihm, trotzdem lachen sie ihn aus. Denn sein Pass, für den er einem Mann in Kirkuk 700 US-Dollar bezahlt hat, taugt nicht einmal, um auf dem Landweg über die Grenze nach Syrien zu gelangen. "Der Passbeamte hat nicht einmal deinen Namen auf Englisch geschrieben und der Fingerabdruck fehlt, das kannst du total vergessen", erklärt ihm ein Araber aus Bagdad. Der junge Kurde mit der Nürnberg-Nostalgie schüttelt nur noch fassungslos den Kopf.
Von Anne-Beatrice Clasmann, dpa
Quelle: ntv.de