Wowereit gegen das Volk Zweikampf um Tempelhof
29.01.2008, 10:53 UhrSo hatte sich das Klaus Wowereit wohl nicht vorgestellt. Erst nach langen Verhandlungen hatten Berlins Regierender Bürgermeister (SPD) und seine Koalition eine Verfassungsänderung für mehr direkte Demokratie durchgesetzt und Volksbegehren und Volksentscheide vereinfacht. Doch das Berliner Volk zeigt wenig Dankbarkeit und wandte sich gegen die Landesregierung.
Per Volksbegehren soll ein seit langem feststehender politischer Beschluss des Senats gekippt werden: die geplante Schließung des traditionsreichen Stadtflughafens Berlin-Tempelhof. Und ein erster großer Erfolg der Flughafen-Unterstützer zeichnet sich ab.
Bisher sind mehr als 160.000 Stimmen für den Erhalt Tempelhofs abgegeben worden. Bis zum 14. Februar wird die Hürde von 170.000 Stimmen damit auf alle Fälle genommen. Dann gibt es im Juni den ersten Volksentscheid in Berlin, bei dem alle Wahlberechtigten abstimmen können. Ob tatsächlich mindestens 600.000 Berliner (25 Prozent der Wahlberechtigten) für den Flughafen stimmen, bezweifeln allerdings selbst Tempelhof-Fans.
Immerhin hatten CDU und FDP - beide wollen den City-Airport behalten - bei der Abgeordnetenhauswahl 2006 zusammen gerade mal rund 398.000 Stimmen. Ob viele Nichtwähler und SPD-Wähler mobilisiert werden können, ist ungewiss. Und Unterstützung aus dem früheren Ostteil Berlins ist nicht zu erwarten. Hier interessiert das Thema kaum jemanden. Zudem sind sich die Juristen einig: auch ein erfolgreicher Volksentscheid hat keine Gesetzeskraft und kann den Senat nicht zur Änderung seiner Strategie zwingen.
Die Initiative für Tempelhof (ICAT) und ihre Unterstützer bei den bürgerlichen Parteien setzen deshalb mehr auf den Druck der Öffentlichkeit, der durch einen Sieg beim Volksentscheid entstehen könnte. Schon seit Monaten inszenieren einige Hauptstadt-Zeitungen eine mediale Kampagne für den Flughafen, der jedes Jahr mehr als zehn Millionen Euro Verluste bringt, aber spätestens seit der Berlin-Blockade und den "Rosinenbombern" zum nostalgischen Inventar des alten Westteils der Hauptstadt gehört. Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner erklärte beim Neujahrsempfang des Medienhauses kürzlich: "Berlin braucht Tempelhof. Berlin will Tempelhof."
Wowereit und die Flughafengesellschaft, die die Verluste trägt, geben sich bislang unbeugsam. Das Thema dürfe nicht emotional entschieden werden, sagt der Bürgermeister. Es gehe nicht um "Rückblicke, sondern um eine zentrale, rational zu treffende Zukunftsentscheidung". Weder die kurz vor dem Ende stehende zweite Stufe des Volksbegehrens noch der eigentliche Volksentscheid würden an seinem Entschluss etwas ändern, beteuert Wowereit.
Er sieht den vor mehr als einem Jahr begonnenen Bau des Hauptstadtflughafens Berlin Brandenburg International (BBI) in Gefahr, sollte Tempelhof offen bleiben. Die von zahlreichen Gerichten bestätigte Planung akzeptiere in Zukunft nur einen Flughafen.
Die FDP spricht inzwischen von einem "König Klaus Wowereit", der zwar die Hürden für Volksbegehren niedriger hänge, im Ernstfall die Entscheidung der Bürger aber ignoriere. CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger nennt die juristischen Argumente des Senats einen "Popanz". Tempelhof könne als privater Geschäftsflughafen für Manager ein Wirtschaftsfaktor sein, um den andere Metropolen Berlin beneiden würden.
Von Andreas Rabenstein, dpa
Quelle: ntv.de