Dossier

Stichwort Kurzarbeit Zwischen Anzeige und Realität

Die Schreckensmeldungen eilten den tatsächlichen Zahlen voraus: Die Bundesagentur für Arbeit (BA) legte erstmals konkrete Zahlen vor, wie viele Arbeitnehmer wegen der Wirtschaftskrise in Kurzarbeit geschickt wurden. Im Dezember waren es 200.800 Beschäftigte in 6860 Betrieben. Das ist ein steiler Anstieg um 162.000 innerhalb von nur drei Monaten, nachdem im Oktober die Wirtschaftskrise mit mehrmonatiger Verzögerung auch den Arbeitsmarkt erreicht hatte.

Dennoch erscheint die Zahl überraschend gering. Ihr vorausgegangen waren die monatlichen vorsorglichen Anzeigen über Kurzarbeit. Allein im Dezember hatten 6300 Betriebe für 295.500 Beschäftigte Kurzarbeit angekündigt, in den drei Monaten Oktober bis Dezember zusammengenommen sogar für 484.000 Beschäftigte.

Anzeige und Wirklichkeit klaffen auseinander

"Die Anzeige und die realisierte Kurzarbeit können sehr stark auseinanderfallen", stellte BA-Vorstandsmitglied Raimund Becker fest. Eine Erklärung dafür sei, dass sich der Pessimismus mancher Unternehmen bisher nicht bewahrheitet habe. "Opel hat Kurzarbeit beantragt im erheblichen Umfang", sagte Becker. "Durch Konjunkturpaket und Abwrackprämie findet die tatsächliche Kurzarbeit derzeit aber nicht so statt wie angezeigt."

Anderen Betrieben mag es ähnlich gehen. Die Ankündigung von Kurzarbeit ist bisweilen nur eine Vorkehrung, um den Beschäftigten den Anspruch auf Kurzarbeitergeld in Höhe von 60 Prozent (Beschäftigte mit Kindern 67 Prozent) des ausfallenden Nettolohns zu sichern. Denn Kurzarbeitergeld wird frühestens von dem Monat an gezahlt, in dem die Anzeige eingegangen ist. So kann es sein, dass im Dezember Kurzarbeit angezeigt wird - aber erst im März tatsächlich Arbeitnehmer in die Zwangspause müssen.

Der Eindruck eines Zahlenwirrwarrs wird durch die Termine ihrer Bekanntgabe verstärkt. Die provisorischen Anzeigen werden zum Monatsende erfasst und von der BA veröffentlicht. Die tatsächliche Zahl der Kurzarbeit wird erst viel später bekannt. Erst nach Ablauf eines Quartals erstatten die Betriebe Meldung über die realisierte Kurzarbeit. Etwa acht Wochen nach Quartalsende legt die BA dann die Zahlen vor. So wurden nun die Kurzarbeiterzahlen für Oktober bis November bekanntgegeben. Über das erste Vierteljahr 2009 gibt es erst Ende Mai Aufschluss.

Konjunktur oder Saison

Unterschieden wird zudem zwischen Kurzarbeit aus konjunkturellen und aus jahreszeitlichen Gründen. Von Dezember bis Ende März können Betriebe des Baugewerbes in der Schlechtwetterzeit Saison-Kurzarbeit anmelden. Das waren im Dezember gut 60.000 Beschäftigte. Hinzu kommt noch das kaum ins Gewicht fallende Transferkurzarbeitergeld zur Vermeidung von Entlassungen bei Betriebsänderungen. Insgesamt gab es daher im Dezember 270.500 Bezieher von Kurzarbeitergeld.

Entlastung der Arbeitslosenstatistik

Die Kurzarbeit verringert den Anstieg der Arbeitslosenzahl. Die 201.000 Kurzarbeiter aus wirtschaftlichen Gründen im Dezember arbeiteten im Durchschnitt ein Drittel weniger. Der Arbeitsausfall entsprach etwa 66.000 Vollzeitarbeitskräften - die ohne Kurzarbeit möglicherweise arbeitslos geworden wären.

Zunahme setzt sich fort

Der Kurzarbeiter-Höchststand wurde im März 1993 mit gut 1,3 Millionen verzeichnet (wenn man die aus der Wiedervereinigung resultierenden Zahlen von über zwei Millionen Kurzarbeitern 1991 außer Acht lässt). Experten erwarten derzeit nicht, dass dieser Rekord eingestellt wird. Die vorsorglichen Anzeigen für Kurzarbeit schnellen allerdings nach oben. Eine Hochrechnung der BA geht für Februar laut Becker von 620.000 bis 670.000 neuen Anzeigen aus. Das wären doppelt so viele wie im Januar - und seit Oktober hätten über 16.000 Betriebe für etwa 1,4 Millionen Beschäftigte Kurzarbeit aus wirtschaftlichen Gründen angekündigt.

Quelle: ntv.de

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