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Zwischenruf Agenda 2010 revised

Sigmar Gabriel wetzt die Messer.

Sigmar Gabriel wetzt die Messer.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die SPD steht gut da - dank der schlechten Umfragewerte für Union und FDP. Wollen die Genossen dauerhaft punkten, müssen sie sich von der Rente mit 67 verabschieden.

So gut wie derzeit stand die SPD schon lange nicht mehr da. Das ist aber weniger das Verdienst einer überzeugenden Alternative, denn vielmehr die Konsequenz der desaströsen Performance der Regierungskoalition. Parteichef Sigmar Gabriel hat begriffen, dass zu effizienter Oppositionspolitik mehr gehört als diffuse Angebote mal an die Adresse der Arbeitgeber, mal an die Adresse des Regierungsbündnisses, Koalitionen der Vernunft zur Rettung der Wirtschaft oder am besten gleich des ganzen Vaterlandes zu bilden.

Dauerhaft auf die Füße kommen die Sozialdemokraten nur, wenn sie sich vom Blei der Rente mit 67 und Hartz IV verabschieden. Beides hat die Partei in die Tiefe gezogen und zum Herumdümpeln um die 20-Prozent-Marke geführt. Einfach ist das nicht. Gabriel wetzt nun das Messer, um mit seiner Absage an die Rente mit 67 eine der heiligen Kühe der Agenda 2010 zu schlachten. Mit dem schleswig-holsteinischen Fraktionschef Ralf Stegner ist ihm schon ein Spitzenfunktionär hilfreich zur Seite gesprungen. Das aber wird nicht reichen. Schließlich steht mit dem Vorsitzenden der Bundestagsfraktion Frank Walter Steinmeier als einer der Agenda-Architekten unverändert dagegen. Dass er Bert Rürup an seiner Seite weiß, dürfte ihm kaum zur Ehre gereichen. Rürup hat seit 1997 an allen Rentenmodellen mitgebastelt, die unterm Strich stets auf Kürzungen hinausliefen. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident und Gabriels Vorgänger im Amt des SPD-Vorsitzenden Kurt Beck steht erwartungsgemäß zwischen den Fronten.

Eine Ablehnung der Rente allein allerdings wird nicht reichen. Gabriel verweist zu Recht darauf, dass Menschen über 60 Jahre auf dem Arbeitsmarkt kaum mehr eine Chance haben. Nur ein Drittel derjenigen, die heuer mit 65 in Rente gehen, waren noch sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Angesichts der ohnehin schon vollzogenen Kürzungen würde so mancher gern bis 67 arbeiten. Wenn er denn einen Job fände. Mitten im Sommerloch tritt Gabriel eine notwendige Diskussion los. Zum Befreiungsschlag werden kann dies für seine Partei allerdings nur, wenn weitere Schritte folgen, namentlich in Sachen Hartz IV. Das wäre im Jahre 2010 die richtige Agenda.

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Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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