
Olaf Scholz in Elmau. Der G7-Gipfel dort lag zwischen einem EU-Gipfel und dem NATO-Gipfel in Madrid, der am Donnerstag zu Ende geht.
(Foto: dpa)
Am Ende einer Woche der Gipfeltreffen zeichnet sich die Ordnung des neuen Kalten Krieges ab. Aber nicht, wie Deutschland durch den nächsten Winter kommt.
Seltsam auf dem Kopf steht sie, die Welt der drei Gipfel von EU, G7 und NATO. Die wirtschaftsstarken Demokratien des "alten Westens" haben durchaus eine Vorstellung, wie die Welt und ihre eigenen Interessen sortiert sein sollen - allerdings erst in einer weiteren Zukunft. Für die nächsten Monate dagegen haben sie nichts dergleichen. Da finden die Staats- und Regierungschefs auf den Gipfeln zwar markige Worte und stärken der Ukraine und ihrem Präsidenten bei jeder Gelegenheit den Rücken. Gut so. Aber in Wahrheit macht der Krieg sie … schrecklich ratlos.
Waffen und Geld soll die Ukraine weiter bekommen, versprachen die Staats- und Regierungschefs auf jeder Etappe dieser Gipfel-Tour. Auch das ist gut, aber zu welchem Zweck und Ziel genau? Es ist nicht einmal klar, was erfüllt sein muss, dass man sagen würde: Die Ukraine hat den Krieg "gewonnen" oder wenigstens "nicht verloren".
Niemand im Kreis der Mächtigen von EU, G7 oder NATO weiß, wie und wann dieser Krieg endet. Niemand weiß, was Wladimir Putin wirklich will und wo er Halt machen würde. Niemand weiß, wie viele Opfer in der Ukraine noch zu beklagen sein werden und wie lange das Land durchhält. Und niemand weiß, wie gefährlich und teuer der Krieg und seine Folgen für uns in Deutschland werden. Für die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt wird der Winter eine existenzielle Herausforderung: Reicht das Gas zum Heizen und für die Millionen Jobs in den Unternehmen? Wann, bitte, hat man sich das letzte Mal solche Fragen stellen müssen?
Die ferne Zukunft macht weniger Sorgen als die nächsten Monate
Im Vergleich dazu ist der Blick weit nach vorn, ins nächste Jahrzehnt, von scharfer Klarheit: Erstens soll die EU noch größer werden, um die europäische Zone von Wohlstand und Frieden abzurunden. Dass dies gelingt, ist angesichts der notorisch reformlahmen Union alles andere als sicher. Aber ein Plan ist es immerhin. Zweitens wird auch die NATO größer und bekommt eine "Nordflanke". Zugleich werden Allianz und Bundeswehr in beispielloser Weise aufgerüstet, um wieder auf Landesverteidigung fixiert zu sein. Die NATO kehrt also geschlossen zurück in die Zukunft, zum alten Geschäft der militärischen Abschreckung, der Gegner steht im Osten. Auch das hat man lange nicht so deutlich gehört, nur wer die Zeit des "Kalten Krieges" erinnert, der kennt das noch.
Und schließlich nehmen die drei Gipfeltreffen die restliche Welt neu in den Blick. Es beginnt bei der hektischen Suche nach Partnern, die Deutschland und Europa Gas und Rohstoffe liefern, die man in Putins Russland nie mehr kaufen will. Und es geht weiter mit der sehr grundsätzlichen Frage, warum so große Teile des "globalen Südens" Russlands Krieg und Putins Schuld ganz anders sehen als Amerikaner und Europäer. Überall, wo man jetzt anklopft, in Afrika oder Südamerika, da pflegen China und Russland seit langer Zeit schon ihre Beziehungen. Putin ist bei weitem nicht so geächtet in der Welt, wie wir es für selbstverständlich halten. Was also hat auch die EU falsch gemacht, dass ihr die Länder mit der Mehrheit der Weltbevölkerung nicht folgen mögen?
Am Ende dieser Gipfel-Strecke kann man sagen: Olaf Scholz hat seine Sache nicht schlecht gemacht. Aber auch er konnte nicht verhindern, dass eines Tag um Tag deutlicher wurde: Die fernere Zukunft macht deutlich weniger Sorgen oder Angst als die nächsten Monate. So unerhört sind die Zeiten.
Quelle: ntv.de