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Zwischenruf Boykottiert Berlusconi!

Skandal folgt auf Skandal. Jetzt soll Berlusconil zurücktreten. Das zumindest fordert Fini. Aber sein Nein an Berlusconis Adresse ist nicht so definitiv, wie es im ersten Augenblick klingt.

Ihm könnte bald das Lachen vergehen: Italiens Ministerpräsident Berlusconi.

Ihm könnte bald das Lachen vergehen: Italiens Ministerpräsident Berlusconi.

(Foto: REUTERS)

Mit seiner Forderung nach dem Rücktritt von Silvio Berlusconi hat Parlamentspräsident Gianfranco Fini einen weiteren Akt der Tragikomödie um den italienischen Ministerpräsidenten eingeläutet. Ob es der letzte ist, scheint aber offen. Lange hat es gedauert, bis nun der jüngste - bekannt gewordene - Sexskandal das Fass zum Überlaufen brachte. Berlusconis Sündenregister ist ebenso lang: Die Anklagen wegen Korruption und Steuerhinterziehung sind Legion. Ebenso die Beschlüsse einer ihm einst hörigen Parlamentsmehrheit, die es ermöglichten, dass der Mann immer wieder straffrei ausging. Die Verhöhnung der Erdbebenopfer von L’Aquila. Und nicht zuletzt die Verherrlichung des Faschismus.

Dass ausgerechnet der Postfaschist Fini das Rutenbündel gegen seinen einstigen Verbündeten schwingt, ist bittere Ironie der Geschichte. Es ist beklemmend, wenn man bedenkt, wie lange sich nun schon eine Mehrheit der Italiener Gesetzesbruch und Eskapaden des Hausherrn im Palazzo Chigi gefallen lässt.

Doch der Zusammenbruch des alten Parteiensystems Anfang der neunziger Jahre mit dem Zerfall der Democrazia Cristiana und der Selbstdemontage des Partito Comunista hinterließ offensichtlich einen so tiefen Eindruck, dass Millionen den Worten Berlusconis über einen sauberen Neuanfang Glauben schenkten. Zudem zeigt die jahrelange Gehirnwäsche von Berlusconis Medienimperium ganz deutliche Wirkungen. Auch die internationale Unterstützung für den Multimilliardär verhalf ihm zu einer langen Regierungszeit. Ein Wladimir Putin scheute sich nicht, sich als Freund Berlusconis zu bekennen. Die deutschen Christdemokraten hatten kein Problem mit der Mitgliedschaft von Berlusconis Wahlvereinen in der Europäischen Volkspartei.

Als die Haider-Partei in die österreichische Regierung einzog, gab es einen Boykott der EU. Gegen Berlusconi, der sein Land in aller Welt lächerlich macht, ist Derartiges oder Ähnliches nicht einmal angedacht worden. Wie wäre es, wenn die 26 Staats- und Regierungschefs Berlusconi, sollte er noch im Amt sein, bedeuteten, er möge dem nächsten Gipfeltreffen fernbleiben und einen Vertreter schicken? Die Organisatoren einer staatlich geförderten Familienkonferenz in Mailand jedenfalls luden Berlusconi wegen dessen Bunga-Bunga-Geschichte mit einer Minderjährigen kurzerhand aus.

Was nun folgt, ist ungewiss: Eine Übergangsregierung? Neuwahlen, an denen außer der rassistischen Lega Nord kaum einer Interesse hat? Oder bleibt Berlusconi gar vorerst im Amt? Finis Nein an Berlusconis Adresse ist nicht so definitiv, wie es im ersten Augenblick klingt. Gelingt es Fini, eine neue Mitte-Rechts-Bewegung aufzubauen, die es formal mit Ordnung und Moral hält, in ihrem Schoß aber Neofaschisten eine Heimstatt bietet? Dann käme Italien vom Regen in die Traufe, denn links von der Mitte ist derzeit keine Alternative in Sicht.

Quelle: ntv.de

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