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Zwischenruf Brandanschläge gegen Polizei

Bislang unbekannte Täter haben in der Nacht drei Brandanschläge auf Polizei- und Zolleinrichtungen in Hamburg und Berlin verübt.

Bislang unbekannte Täter haben in der Nacht drei Brandanschläge auf Polizei- und Zolleinrichtungen in Hamburg und Berlin verübt.

(Foto: dpa)

Noch tappen die Ermittler im Dunkeln, da ist für manchen schon klar, dass Linksautonome hinter den Anschlägen von Hamburg und Berlin stecken. Klar ist lediglich, dass hinter beiden Untaten gewalttätige Personen stecken, die bislang aber von Angriffen auf Menschenleben zurückschrecken. Sollten sich "Linke" unter ihnen finden, so sind sie von jener Art, die alljährlich zu bestimmten Anlässen randalierend durch deutsche Gassen ziehen, Steine werfen, Ordnungshüter beleidigen, meinen, sie hätten einen Beitrag zur Befreiung der Menschheit geleistet, sich in ihre Löcher zurückziehen und erst am nächsten 1. Mai wieder auf den Plan treten um ihre "Mission" fortzusetzen. Oder - vielleicht - ausnahmsweise eben auch an einem 3. Dezember.

Die Brandsätze in der Hanse- und der nichtgezündete Brandsatz in der Hauptstadt sind Teil einer wachsenden Gewaltwelle gegen Polizisten, an der nicht nur vermeintliche Linke, sondern auch Fundamentalisten jeglicher Couleur und ganz gewöhnlichen Kriminelle beteiligt sind. Parallel dazu wächst die Aggressivität der Neonazis, die sich zumeist gegen Wehrlose wendet, jene also, deren Belange sie in sozialdemagogischen Pamphleten verteidigen.

Gewalt äußert sich auch in blutigen Amokläufen und in auch tödlichen Angriffen auf Menschen im öffentlichen Personen- und Nahverkehr. So bitter es ist: Gewalt ist alltäglich geworden. Sie erwächst vielfach aus Frust und Perspektivlosigkeit. Wer glaubt, nichts mehr verlieren zu können, setzt - fast - alles aufs Spiel. Das Wort von der Ellenbogengesellschaft mag aus der Mode gekommen sein. Das Besorgnis erregende Wesen dieses Phänomens ist unverändert aktuell. Besser: Aktueller denn je, wenn es heißt, dass ja für alle gesorgt ist, wenn jeder für sich selbst sorgt.

Die von den Innenministern in Bremen beschlossene Verstärkung der Videoüberwachung ist nicht der Königsweg des Kampfes gegen Gewalt. Ein Blick auf die Londoner Erfahrungen genügt. Die unwürdige Befragung von 250.000 Polizisten nach Kindheitserfahrungen scheint vom Tisch. Hamburg und Sachsen hatten sich schon vor dem Treffen in Bremen von dem Freudschen Pipifax verabschiedet. Doch statt mehr Kameras anzubauen, sollte die Anzahl der Polizisten erhöht werden. Seit 2000 wurden unterschiedlichen Angaben zufolge weit mehr als 10.000 Stellen gestrichen. Statt die Beamten in alberne N.Y.P.D.–Uniformen zu stecken oder ihre Fahrzeuge blau zu bemalen sollten ihre Funkgeräte auch funktionieren, wenn eine Hauswand dazwischen ist; die Einsatzfahrzeuge dürfen ruhig ein paar mehr PS haben als die der flüchtigen Gangster. Und etwas mehr Geld wäre auch nicht schlecht.

Sicherheit darf auch nicht privatisiert werden, wie der Mordfall Marwa in einem Dresdner Gericht einmal mehr zeigt. Das Gewaltmonopol liegt beim Staat. Private bewaffnete Sicherheitsdienste bergen die Gefahr zu gesetzlich geschützten Gegenentwürfen ungesetzlicher Gewaltausübung zu werden. Deshalb muss die Polizei ihre Neueinstellungen erhöhen. Die Anschläge in Hamburg und Berlin wären vermeidbar gewesen hätten sich ein paar mehr Polizisten auf Streife befunden.

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Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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