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Zwischenruf Der Lack ist ab

(Foto: dapd)

US-Präsident Obama trennt sich von einem weiteren Wahlversprechen: Im höchst umstrittenen Gefangenenlager Guantánamo Bay wird es wieder Militärtribunale geben. Dabei sind die Argumente hierfür recht fadenscheinig. Es droht ein weiteres langwieriges Gezerre.

US-Soldaten in Guantánamo.

US-Soldaten in Guantánamo.

(Foto: dapd)

Mit der Ankündigung Barack Obamas, im wieder Militärtribunale zuzulassen, geht ein weiteres Wahlversprechen des einstigen Hoffnungsträgers einer Mehrheit der US-amerikanischen Bevölkerung den Potomac hinunter. Die nachgeschobene Bemerkung, man wolle aber trotzdem an der Schließung festhalten, klingt arg dünn und überzeugt nicht.

Vor einiger Zeit hieß es, es finde sich nicht genug Geld für ein Hochsicherheitsgefängnis auf dem Territorium der Vereinigten Staaten, das der von den Gefangenen ausgehenden mutmaßlichen Gefahr entspräche. Ein recht fadenscheiniges Argument, bedenkt man, welche Unsummen in andere sicherheitsrelevante Projekte fließen. Auch die Karte, andere Länder seien nicht hinreichend bereit gewesen Gefangene aufzunehmen, sticht nicht. Es gehört schon eine gehörige Portion Vermessenheit dazu, seinen Verbündeten eine Last aufbürden zu wollen, die man selbst nicht zu tragen bereit ist. Dabei ist die Sachlage schon heikel: Niemand kann genau sagen, ob oder wie gefährlich die Insassen des Lagers sind. Einige der Freigelassenen haben sich wieder Terrorgruppen angeschlossen.

Obama kann nicht alle Wahlverprechen halten.

Obama kann nicht alle Wahlverprechen halten.

(Foto: REUTERS)

Nun droht ein weiteres langwieriges Gezerre. Der Oberste Gerichtshof hatte die Militärgerichte in Guantánamo Bay für verfassungswidrig erklärt; erst nach einer gegenteiligen Verfügung der Bush-Administration konnten sie ihre Tätigkeit fortsetzen. Die Anwälte der Gefangenen werden nun eine Wiederaufnahme des Verfahrens erzwingen wollen.

Sicher: Obama konnte nicht wissen, dass seine Demokratische Partei die "Midterm Elections" haushoch verliert. Das zugunsten der Republikaner veränderte Kräfteverhältnis im Repräsentantenhaus hat dem Präsidenten schon so manchen Stein in den Weg gelegt. Stichwort: Gesundheitsreform. Aber am Ende ist Obama Opfer seiner eigenen, nicht zu Ende gedachten Versprechen geworden. Darin ähnelt der Vorgang ein wenig den freidemokratischen Steuersenkungsankündigungen oder der guttenbergschen Bundeswehrreform: Das Ziel war vorgegeben, die Wege dorthin … unerforscht. Wer den Weg nicht kennt, holt sich Schrammen. Bis eines Tages der Lack ab ist.

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Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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