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Zwischenruf Der Papst und das Menetekel

Der Vatikan kommt nicht aus den Negativschlagzeilen heraus. Nach der Rehabilitierung des antisemitischen Bischofs der abtrünnigen Piusbruderschaft William Richardson haben die deutschen Juden den Kontakt zum Katholizismus abgebrochen, in Israel plädiert der Minister für Religionsfragen für den Abbruch der diplomatischen Beziehungen zum Vatikan. Ob die für Mai geplante Reise von Benedikt XVI. nach Israel stattfindet, steht in den Sternen über Bethlehem.

Es hätte dem Papst gut zu Gesicht gestanden, die Entschuldigung Richardsons abzulehnen; betraf sie doch nicht den Inhalt seines Judenhasses, sondern lediglich das Ungemach, das er dem Heiligen Vater bereitete.

Nun meldet sich ein weiterer Pius-Bruder zu Wort und behauptet, die Gaskammern in den faschistischen Vernichtungslagern hätten der Desinfektion gedient. Gleiches stand an den Türen zu den Mordkammern und sollte den Todgeweihten die Angst nehmen. Nazi-Kriegsverbrecher behaupteten nach dem Ende ihres "Tausendjährigen Reiches" vor den Gerichten der Völker tatsächlich, die Gaskammern hätten der Hygiene gedient. Der Antisemitismus sitzt tief in der Fraternitas Sacerdotalis Sancti Pii X., jener traditionalistischen Gemeinschaft, deren 600.000 Anhänger der Papst auf Teufel komm raus in den Schoß der römischen Kirche zurückholen will. Benedikt hat Erfahrung mit den "fratelli". Schließlich hatte er als Vorsteher der Glaubenskongregation mit dem Gründer der Bruderschaft, Erzbischof Marcel Lefebvre, einen Kompromiss ausgehandelt, der die "suspensio a divinis" des Franzosen aufheben sollte.

An den örtlichen Kircheninstitutionen vorbei

Angesichts dieser Ungeheuerlichkeiten gerät die Ernennung eines Dummlings zum Weihbischof von Linz nachgerade zur Nebensächlichkeit. Der Mann besitzt die Chuzpe, die Harry-Potter-Schmöker zu Satanismus hochzustilisieren und den Hurrikan "Katrina" in New Orleans als Strafe Gottes zu bezeichnen. Dass die Ernennung an den örtlichen Kircheninstitutionen vorbei erfolgte, ist kennzeichnend für das Demokratieverständnis von Josef Ratzinger.

Der deutsche Papst will den Einfluss seiner Kirche erweitern. Das ist verständlich. Dass er dies aber mit rückwärtsgewandten Kräften erreichen will, schadet. In einer weltweiten Krise erhoffen sich Millionen von Gläubigen aus Rom Antwort und Trost. Beides kann der Nachfolger Petri aber nicht überzeugend geben, wenn er auf Reaktionäre setzt. Progressive Katholiken wie die "Kirche von unten" oder lateinamerikanische Befreiungstheologen wie Leonardo Boff haben bei Benedikt keine Chance.

Wie heißt es in Daniel, 5: "Gott hat dein Königtum gezählt und beendet. Du wurdest auf einer Waage gewogen und für zu leicht befunden." Schon gibt es erste Rücktrittsforderungen an den Pontifex Maximus. Er sollte die Schrift an der Wand möglichst rasch erkennen.

Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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