Kommentare

Zwischenruf Die Große Afghanistan-Koalition

Ein Ende des Krieges kann nur politisch erreicht werden. Das wusste schon Alexander der Große. Die Große Afghanistan-Koalition sollte einen Blick in die alten Schriften werfen.

Die Offensive "Muschtarak": Der Name ist irreführend.

Die Offensive "Muschtarak": Der Name ist irreführend.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Großoffensiven gegen die Taliban sind an einer Hand nicht mehr abzählbar. Sicher ist, dass sie allesamt erfolglos waren: Die Präsenz der Steinzeitkrieger in Afghanistan ist so groß wie nie seit ihrem Sturz. Die jetzige Operation ist aber wohl die umfangreichste und die erste unter US-Präsident Barack Obama. Zudem soll sie einer neuen Strategie folgen.

Wirklich neu daran ist nur die Absichtserklärung, zivile Opfer zu vermeiden. Das zumindest ist mit der wachsenden Zahl unbeteiligter Toter gründlich misslungen. Es ist zynisch zu erklären, Zivilpersonen hätten Warnungen missachtet. Das klingt wie: Selber Schuld, wer vor die Flinte läuft. Das Problem: Die Taliban schwimmen nun einmal im Volk wie der Fisch im Wasser. Äußerlich ist ein fanatischer Krieger nicht von einem friedlichen Paschtunen zu unterscheiden.

Der Name der Offensive ist irreführend: "Muschtarak" bedeutet auf Dari soviel wie "Gemeinsam". Die US-Truppen kämpfen jedoch allein; nur britische Verbände operieren im Verbund mit afghanischen Einheiten. Und auch das hat es schon früher gegeben. Wenn neu sein soll, die eroberten Gebiete nicht wieder aufzugeben, dann haben Rom und Alexanders Weltreich nicht existiert.

Ein Erfolg der Offensive wäre wünschenswert. Nur wird am Ende kaum mehr herauskommen als eine – zeitweilige – Kontrolle über Talibangebiet. Ob die Festnahme des Stellvertreters von Talibanchef Mullah Omar die Truppe schwächt, ist fraglich. Abdul Ghani Baradar wurde in Karatschi verhaftet. Die pakistanische Hafenstadt ist gut 1.000 Kilometer von der Grenze zu Afghanistan entfernt. Sollte der Mann von dort aus militärische Operationen geleitet haben, wäre dies nur mit Hilfe oder Duldung des pakistanischen Geheimdienstes ISI möglich gewesen. Und da liegt das Problem: Selbst ein militärischer Sieg bringt die Region dem Frieden kaum ein Stück näher. Ein Ende des Afghanistankrieges kann nur politisch und unter Einschluss Pakistans erreicht werden.

Was übrigens der große Makedonier wusste. Er heiratete die ortansässige Prinzessin Roxane. Die Große Afghanistan-Koalition aus Union, FDP und SPD sollte noch rasch einen Blick in die alten Schriften werfen, bevor sie weitere Soldaten an die afghanische Front wirft.

Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen