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Kalte Progression Die Union spielt ein verlogenes Spiel

Angela Merkel zögert beim Kampf gegen die Kalte Progression.

Angela Merkel zögert beim Kampf gegen die Kalte Progression.

(Foto: REUTERS)

Der Abbau der Kalten Progression ist dringend nötig. Doch ausgerechnet CDU und CSU sperren sich jetzt dagegen. Das Zögern der Union ist entlarvend.

Kalte Progression

Steigen die Einkommen von Arbeitnehmern, müssen sie das zusätzliche Gehalt unter Umständen mit einem höheren Prozentsatz versteuern als das bisherige Gehalt. Ab dem Spitzensteuersatz von 42 Prozent für Jahreseinkommen ab knapp 53.000 Euro steigt der Steuersatz mit zusätzlichem Einkommen nicht weiter an (einzige Ausnahme ist die "Reichensteuer"). Diese sogenannte Progression im Steuertarif soll dafür sorgen, dass auf stärkeren Schultern mehr lastet als auf schwächeren.

Gleichen Gehaltserhöhungen jedoch lediglich die Inflation aus, steigt dadurch die Steuerbelastung, obwohl die Kaufkraft gleich bleibt. Diese wachsende Steuerbelastung nennt man Kalte Progression.

Die Union hat schon zu schwarz-gelben Zeiten den Abbau der Kalten Progression versprochen. Im Wahlkampf erneuerte sie das Ziel. Und jetzt? Kanzlerin Angela Merkel und ihre Union zögern, obwohl der neue Koalitionspartner SPD bereit ist, mitzuziehen, auch ohne Spitzenverdiener stärker zu belasten. Das ist entlarvend. Der Kampf gegen die Kalte Progression ist ein beliebtes Wahlversprechen. Umsetzen wollen es CDU und CSU nicht.

Es gibt durchaus gute Gründe, jetzt auf Steuersenkungen zu verzichten. Wer je einen Grundkurs in Volkswirtschaftslehre besucht hat, weiß: Insbesondere in Zeiten, in denen die Steuereinnahmen sprudeln und die Konjunktur erstarkt, sollte die Politik nicht der Versuchung erliegen, Geschenke zu verteilen. In solchen Zeiten gilt es, zu sparen und Schulden abzubauen. Antizyklisches Handeln nennt sich das. Auch Unionspolitiker rechtfertigen das Zögern ihrer Partei jetzt zum Teil damit. Abgesehen davon, dass die Union auch mit Geschenken wie der Mütterrente alles andere als antizyklisch gehandelt hat, gilt aber: Der Abbau der Kalten Progression ist keine normale Steuersenkung. Er wäre die Korrektur eines Fehlers im deutschen Steuersystem.

Auch die anderen Parteien spielen mit

Arbeitnehmer profitieren wegen der Kalten Progression unter bestimmten Bedingungen nicht von Gehaltserhöhungen, weil die Inflation und der Verlauf der Steuerkurve im deutschen System das Plus auffressen. Spitzenverdiener werden dabei verschont, da sie ohnehin den Höchststeuersatz zahlen. Das ist ungerecht und demotivierend. Es ist höchste Zeit, etwas daran zu ändern. Doch das passiert nicht. Ein genauer Blick auf die Mechanismen des Wahlkampfs der Union und die Mechanismen der Kalten Progression offenbart, wie berechnend und verlogen die Partei der Kanzlerin bei diesem Thema agiert.

Bei der Kalten Progression gilt: So lästig das Phänomen für die Bürger ist, so praktisch ist es für die Politik. Dank der Kalten Progression steigen die Steuereinnahmen Deutschlands mit jedem Tarifabschluss automatisch - ohne dass die Bundesregierung unbeliebte Steuererhöhungen verkünden müsste. Der Staat bekommt jedes Jahr mehr Geld und schuld daran ist allein die Kalte Progression. Besser kann es für eine Bundesregierung kaum laufen.

Damit es so bleibt, verspricht die Union in Wahlkampfzeiten selbstredend gegen das Phänomen vorzugehen. In Regierungsverantwortung fehlt dann aber das Geld, um kurzfristig etwas zu tun. Oder der Bundesrat blockiert mit vermeintlich unerfüllbaren Forderungen bei der Reform. Ein Spiel, das sich wiederholt und wiederholt.

Die Union treibt dieses Spiel gerade auf die Spitze. Aber auch die anderen Parteien im Bundestag beherrschen es. Die Grünen zum Beispiel. Jetzt brandmarkt die Ökopartei das Gerede der Union als "heiße Luft". Es gab aber auch Zeiten, in denen  sich die Grünen dagegen sperrten, die Ungerechtigkeit der Kalten Progression zu beenden. Mit ähnlichen Argumenten.

Quelle: ntv.de

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