Zwischenruf Die europäische Tour de force
17.07.2007, 15:37 UhrVon Manfred Bleskin
Die EU ist schwieriger geworden. Wegen ihrer Erweiterung auf 27 ungleiche Brüder. Und der neuen starken Männer in zwei ihrer stärksten Mitgliedsstaaten. Die ersten europapolitischen Schritte der Regierungen Frankreichs und Großbritanniens lassen – in unterschiedlichem Maße – erkennen, dass Deutschland es mit Partnern zu tun bekommt, die sich nicht nur nicht die Butter vom Brot nehmen lassen, sondern sich eher noch ein großes Stück vom Kuchen abschneiden wollen.
Das gilt vor allem für Frankreich, dessen quirliger Staatschef sich nicht damit abfinden will, dass die Bundesrepublik und namentlich ihre Kanzlerin als Retterin und Motor der EU erscheinen.
Schon beim jüngsten Gipfel in Brüssel war es Nicolas Sarkozy und mit ihm der damalige britische Premierminister Tony Blair, der durch sein Verhandlungsgeschick gegenüber den widerborstigen Kaczyński-Zwillingen ein Fiasko verhinderte. Nun der EADS/Airbus-Kompromiss von Toulouse. Sarkozy gelang es zwar nicht, die französische Vormachtstellung in dem einstigen europäischen Vorzeigekonzern zu erhalten. Die nunmehrige Gewaltenteilung ist zweifellos das Ergebnis eines klugen Schachzugs von Angela Merkel. Doch ist EADS/Airbus damit wirtschaftlich noch lange nicht aus dem Schneider. Der Zeigefinger wird auf das Berliner Kanzleramt gerichtet sein, wenn es Thomas Enders, der neue Airbus-Chef, nicht packt.
Sarkozy hat en passant auch noch zwei weitere dicke Brocken auf den Tisch des europäischen Hauses gepackt, an dem die Regierenden in Berlin und anderen Hauptstädten der Europäischen Union lange kauen werden. Seine Absicht, die Europäische Zentralbank zur Intervention gegen den hohen Eurokurs zu bewegen, kollidiert mit der Bundesregierung, die auf eine völlige Unabhängigkeit der EZB setzt. Nun muss das nicht so sein, wenn die Independenz der Zentralbank ökonomische, namentlich außenwirtschaftliche, Interessen bedroht. Konrad Adenauer, auf den sich Frau Merkel so gern beruft, war im Unterschied zu seinem Wirtschaftsminister Ludwig Erhard so gar nicht der Meinung, dass die damalige Bank deutscher Länder sakrosankt sein müsse. Auch wenn Sarkozy nach Toulouse sagt, das Problem wäre nicht der Euro, sondern der künstlich niedrig gehaltenen Kurs der anderen Währungen im Vergleich zur europäischen ... das letzte Wort dazu ist im Elyse-Palast noch lange nicht gesprochen.
Wenn sich Sarkozy in der südfranzösischen Metropole nun bereit erklärte, im Herbst beim nächsten EU-Spitzentreffen in Sachen gemeinsame Industriepolitik zur Abwehr "unerwünschter" Investoren voranzukommen, dann ist dies auch nur eine scheinbare Aufgabe bisheriger Positionen: Dem politischen Paris ging es schon immer zuvörderst um die Sicherung der Belange der eigenen Wirtschaft.
Ob Britanniens Regierungschef da ein pro-europäischer Partner der Kanzlerin wird, steht in den Sternen. Wirtschafts- und Währungspolitik stand am Montag in Berlin nicht auf der Tagesordnung. Sicher: Dass Gordon Browns erste Auslandsreise als Premier in die deutsche Hauptstadt führte, ist ein Zeichen, in erster Linie aber ein Wink mit dem Zahnpfahl in Richtung Washington. Seine Bereitschaft, aktiv für das Zustandekommen eines neuen europäischen Grundlagenvertrags zu wirken, lässt aufhorchen. Doch knüpft Brown sein Bekenntnis an die Forderung, dass alle kürzlich in Brüssel vereinbarten britischen Forderungen Eingang in das Abkommen finden. Erstaunlich, dass der Euro-Gegner erstmals öffentlich die Einführung der gemeinsamen Währung im Vereinigten Königreich erwogen hat. Doch konkreter wurde Brown – aus gutem Grund – nicht. Schließlich gilt es, die Wahlen zu gewinnen. Und mit dem Euro auf der Fahne lässt sich in Großbritannien nun einmal kein Blumentopf gewinnen.
Europa ist eine Tour de force. Auch wenn Angela Merkel auf den ersten Blick zwei Etappen gewonnen hat, die Verfolger sind ihr dicht auf den Fersen, und das Rennen ist damit noch lange nicht entschieden.
Quelle: ntv.de