Zwischenruf Die fehlgeschlagene Strategie
21.10.2008, 16:41 UhrDas Bild mit den Zinksärgen, in denen Soldaten von Auslandseinsätzen in die Heimat zurückkehren, ist oft beschworen worden. 28 Mal gab es dieses Bild nun schon, am morgigen Mittwoch werden es 30. Die von der Bundesregierung praktizierte Verzahnung von zivilem Aufbau und militärischem Einsatz ist nicht aufgegangen.
Immer mehr Afghanen machen kaum einen Unterschied zwischen beiden Komponenten. Zwischen ISAF-Truppe und "Enduring Freedom"-Kampfeinsätzen differenzieren sie ohnehin nicht mehr.
Der Westen verfügt trotz aller gegenteiliger Beteuerungen nicht über eine einheitliche Strategie. Die USA, die die meisten Soldaten am Hindukusch haben, beteiligen sich nur in äußerst geringem Maße am Aufbau. In der Wahrnehmung vieler Afghanen dominieren nicht die wieder von deutschen Helfern neu errichteten Schulen oder Krankenstationen, sondern Tod und Verderben. Keine Woche vergeht, ohne dass zivile Opfer zu beklagen sind.
Unzufriedenheit mit der Regierung
Die Bundesregierung spricht unbeirrt von einer stabilisierenden Wirkung der Bundeswehr im Norden. Tatsache ist aber, dass die Taliban, die vor Jahresfrist nur im Süden und Südosten eine ernstzunehmende Kraft waren, zunehmend auch im Norden aktiv sind. Sie würden sich nicht halten, gäbe es keine Unzufriedenheit mit der Regierung in Kabul und der unverändert schlechten sozialen Lage.
Die einst verhassten Koranschüler schwimmen, um Mao Tse-tung zu zitieren, im Volk wie der Fisch im Wasser. Dass sie keine tatsächliche Alternative repräsentieren und den Tod von Kindern billigend in Kauf nehmen, spielt für eine wachsende Zahl von Afghanen offensichtlich keine Rolle.
Todesurteile wegen "Gotteslästerung"
Religiöser Fanatismus ist sechs Jahre nach Invasionsbeginn keineswegs fatales Markenzeichen nur der Taliban. Wie wenig sich in der Islamischen (sic!) Republik geändert hat, wird sichtbar, wenn in unmittelbarer Nachbarschaft zum Hauptstützpunkt des Bundeswehrkontingents in Masar-i-Sharif Todesurteile wegen "Gotteslästerung" gefällt werden. Das Oberhaus des afghanischen Parlaments hatte sich für die Vollstreckung der Strafe ausgesprochen.
Es zeugt kaum von den viel gepriesenen Ansätzen zur Demokratie, wenn der Richterspruch nun in 20 Jahre Gefängnis umgewandelt wird. Eine Strategie des Hineingehens nach Afghanistan hat es gegeben, eine Strategie des Hinausgehens fehlt. Das Schlimme aber ist, dass es die Strategie des Drinbleibens fehlgeschlagen ist.
Quelle: ntv.de