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Zwischenruf Ein bitterer Tag für das Recht

Aller Kritik zum Trotz haben die EU-Außenminister zugestimmt: Die US-Geheimdienste dürfen nun auf europäische Bankdaten zugreifen. Kein guter Tag für das Recht in der EU, meint Manfred Bleskin.

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(Foto: picture-alliance/ dpa)

Die USA, namentlich ihre Geheimdienste, sollen nach dem Willen der EU-Außenminister erweiterten Zugriff auf Bankdaten von EU-Bürgern erhalten. Der Hintergrund: die Suche nach Terrorristen. Wieder einmal hat die Europäische Kommission das Europäische Parlament düpiert. Fraktionsübergreifend wäre wohl eine Mehrheit dagegen zustande gekommen. Deshalb soll das Abkommen noch vor Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags durchgepeitscht werden. Danach hätten die Abgeordneten Vetorecht gehabt. Die Zusicherung, die Parlamentarier "hinzuziehen zu wollen", ist nachgerade lächerlich. Wenn die US-Behörden erst einmal den kleinen Finger haben, nehmen sie die ganze Hand.

Was das Ganze mit dem vielbeschworenen "neuen Kurs" von Präsident Barack Obama zu tun hat, bleibt schleierhaft. Die Schlapphüte sollen nämlich nicht nur in Auslandstransaktionen Einsicht erhalten, sondern auch die Inlandskontobewegungen kontrollieren dürfen. Was deutschen Behörden nur unter Vorbehalt gestattet ist, dürfen ihre Kollegen in Übersee nach eigenem Ermessen tun. Sie arbeiten nach der Hit-/No-Hit-Methode - Treffer, kein Treffer. Es bleibt zu hoffen, dass sie nicht so daneben schießen, wie während der Bombardierung Belgrads durch NATO-Flugzeuge, als die CIA den Piloten alte Stadtpläne in die Hand gegeben hatte. Drei chinesische Diplomaten mussten das "Versehen" mit ihrem Leben bezahlen, auch wenn der Londoner "Observer" später schrieb, der Beschuss der Botschaft Chinas sei absichtlich erfolgt. Es wäre fatal, wenn die Banküberweisung für Spielzeugpanzer als Waffenlieferung für Terroristen interpretiert oder Lieschen Müller wegen der Bestellung von Blumendünger der Beschaffung von Material zur Herstellung von Bomben bezichtigt würde.

Die EU gibt mit dem Beschluss der 27 Chefdiplomaten wieder ein Stückchen nationaler Souveränität ihrer Mitgliedsstaaten aus der Hand. Österreichs Parlament übrigens hatte sich mehrheitlich gegen das Vorhaben ausgesprochen. Außenminister Michael Spindelegger war heute in Brüssel trotzdem dafür. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat den Bundestag erst gar nicht gefragt. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar sagte dem Berliner "Tagesspiegel", für den Zugriff der US-Sicherheitsbehörden auf europäische Finanzdaten gebe es keinerlei rechtlichen Ansatzpunkt.

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Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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