Zwischenruf Eine Tonne abspecken für Putin
02.08.2011, 14:28 Uhr
Putin zeigt im Sommercamp, was er kann.
(Foto: dpa)
Für viele ist Putin der eigentliche starke Mann in Russland. Auch wenn die P-Frage offiziell noch nicht entschieden ist, schlägt er Pflöcke ein: Zur Unterstützung seiner Partei "Einiges Russland" hat sich eine Allrussische Volksfront gebildet; gleichzeitig stellt Putin wieder einen Unionsstaat mit Weißrussland auf die Tagesordnung und lässt die Muskeln spielen.
Es mutet schon etwas befremdlich an, wenn Jugendliche dem abmagerungswütigen Ministerpräsidenten ihres Landes beim Besuch ihres Sommerlagers versprechen, zusammen eine Tonne Gewicht verlieren zu wollen. Hundert Mitglieder des regierungstreuen russischen Jugendverbandes Naschi (Die Unsrigen) haben ihrem Idol Wladimir Wladimirowitsch Putin am malerischen Seligersee, etwa 300 Kilometer nordwestlich von Moskau, auf diese männerkultische Weise ihre Treue bekundet.
Ein Relikt der Vergangenheit. Doch dahinter steht Methode: Schon als Staatschef verband der einstige KGB-Offizier sowjetische Symbolik und Inhalte mit kapitalistischer Profitwirtschaft: Eine "gelenkte Demokratie" sei die beste Regierungsform für Russland, sagte er. Sein Ausspruch vom Zusammenbruch der Sowjetunion als "größter geopolitischer Tragödie des 20. Jahrhunderts" sorgte im Westen und den sogenannten Reformstaaten für helle Aufregung.
Zusammenschluss mit Weißrussland
So ist es jetzt nur folgerichtig, wenn der russische Regierungschef abermals einen Zusammenschluss mit Weißrussland ins Spiel bringt. Bislang sind beide Staaten – mit Kasachstan – in einer Zollunion verbunden. Auf dem Papier gibt es sogar einen Unionsstaat Russland und Weißrussland, doch außer bei militärpolitischer Koordinierung ist das Konstrukt bedeutungslos geblieben. Der "Unionsstaat" hat Moskau nicht einmal gehindert, Minsk im Gasstreit unter Druck zu setzen. War der weißrussische Präsident Aleksandr Lukaschenko anfänglich einer der eifrigsten Fürsprecher des Zusammenschlusses, so ruderte er in der kurzen Phase der Annäherung an die EU zurück.
Heute überlebt Lukaschenkos Regime wirtschaftlich nur dank kräftiger Finanzspritzen vom Großen Bruder und weiß, dass er keine Chancen auf das von ihm einst angestrebte Amt eines Unionspräsidenten hätte. Doch würde der Papiertiger laufen lernen, könnte ihm das sein politisches Überleben oder zumindest einen würdevollen Abgang sichern.
Einflusssphäre erweitern
Klar ist jedenfalls, dass im Falle einer (Wieder-)Wahl Putins im nächsten Jahr die Erweiterung der russischen Einflusssphäre eine der politischen Prioritäten darstellt. Pflöcke hat Putin schon eingeschlagen: Mit der Bildung einer Massenorganisation namens Allrussische Volksfront will Putin seine Ausgangspositionen bei den Dumawahlen im Dezember und damit – sehr wahrscheinlich – auch beim Votum über die Besetzung des höchsten Staatsamts verbessern.
Seine ausweichende Antwort auf die – offenbar inszenierte – Forderung der Unsrigen am Seligersee, er möge noch einmal antreten, war durchaus beredt. Da war es für das Fähnlein der hundert Aufrechten durchaus sinnvoll, das Abspeckversprechen abzugeben. Vielleicht kann man so ja einmal etwas werden. Unter dem alten-neuen Präsidenten.

Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de