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Wenn Russland wählt Entscheid über das System Putin

Russland bestimmt am Sonntag ein neues Parlament. Eine Wahl nach westlichen Maßstäben ist das nicht unbedingt. Erstens, weil die Staatsduma - schon der aus zaristischen Zeiten überkommene Name ist ein Widerspruch in sich – nicht viel zu sagen hat: Die Russische Föderation ist eine ausgeprägte präsidiale und keine parlamentarische Demokratie. Und zweitens, weil das Votum de facto ein Volksentscheid über das System Putin ist.

Die anderen Parteien, namentlich die Kommunisten und die so genannten Liberaldemokraten, haben Putin nicht viel entgegenzusetzen. Innen- und sozialpolitisch hat Putin viele Forderungen der KPdRF erfüllt. Außenpolitisch gibt es zwischen Kommunisten und Putin weitgehende Übereinstimmung. Die "Liberaldemokraten" des nationalistischen Krakeelers Wladimir Schirinowski hätten’s in der internationalen Politik vielleicht noch einen Zahn schärfer, aber das war’s dann auch schon.

Putin darf bei den Wahlen (sic!) für das Präsidentenamt Anfang März aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht mehr antreten. Der formell Parteilose ist aber Spitzenkandidat der kremltreuen Partei "Einiges Russland", die Umfragen zufolge auf 55 Prozent kommen kann. Der nächste Regierungschef Russlands könnte also Putin heißen. Selbst für den unwahrscheinlichen Fall, dass bei der Präsidentenwahl ein Gegner des jetzigen Amtsinhabers siegt – ein Premier Putin wäre mächtig genug ihm die Stirn zu bieten.

Putin sitzt fest im Sattel. Warum also, fragt man sich, gehen die Behörden dann so brutal gegen den Oppositionspolitiker Ex-Schachweltmeister Garri Kasparow vor? Dessen Bewegung "Für ein anderes Russland" spielt höchstens vor ausländischen Fernsehkameras eine Rolle. Innenpolitisch ist sie bedeutungslos. Zudem ist das mit dem Demokraten Kasparow so eine Sache. Immerhin macht er mit der so genannten Nationalbolschewistischen Partei gemeinsame Sache, einer Art Strasser-NSDAP la russe. Partner der Truppe in Deutschland ist der neofaschistische "Kampfbund Deutscher Sozialisten". Erstaunlich, dass das Bundeskanzleramt sich so für Kasparow einsetzt und dabei das Fahnenmeer der "Nationalbolschewisten" in dessen Demonstrationszügen übersieht.

Putin braucht, bei all seiner Macht, einen Popanz, den er dem Wahlvolk als eine vom westlichen Ausland geführte Marionette präsentiert. Das bringt garantiert die eine oder andere Stimme zusätzlich. Gegen eine kommunistische Demonstration würde er nicht so vorgehen. Das könnte ihn Stimmen kosten.
Die derzeitige westliche Kritik an Putin bringt nichts, außer dass sich am Sonntag ein paar noch Schwankende doch noch für den wahren Verteidiger von Mütterchen Russland entscheiden. Putin bleibt in einem überschaubaren Zeitraum der eigentliche Macher zwischen Murmansk und Wladiwostok. Der sozialdemokratische Stratege Frank-Walter Steinmeier an der Spitze des Auswärtigen Amtes wird wissen, warum er schweigt, wenn sich die Bundeskanzlerin im Fall Kasparow über den Regierungssprecher wieder einmal weit aus dem Fenster lehnt.

Quelle: ntv.de

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