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Zwischenruf Frankreich: Links um!

Das linke Lager hat die erste Runde der Wahlen zur französischen Nationalversammlung für sich entschieden. Der Trend wird sich bei der zweiten Runde am kommenden Sonntag verfestigen. Dann werden sich auch die Griechen nach links wenden. Für die Kanzlerin wird es künftig schwierig.

Hollandes Partei holt 29,4 Prozent der Stimmen. Vor fünf Jahren lagen die Sozialisten lediglich bei 24,7 Prozent.

Hollandes Partei holt 29,4 Prozent der Stimmen. Vor fünf Jahren lagen die Sozialisten lediglich bei 24,7 Prozent.

(Foto: dpa)

Der Sieg des linken Lagers bei den Wahlen zur Nationalversammlung ist der Zement, den Präsident François Hollande benötigt, um seine Pläne zu verwirklichen. Wenn für seine Parti Socialiste und deren grüne Verbündete in der zweiten Runde am kommenden Sonntag alles gut läuft, könnte es mit den Stimmen für die Front de gauche aus Kommunisten und Linkspartei sogar für eine Dreifünftelmehrheit reichen. Damit wäre es sogar möglich, die Verfassung zu ändern.

Das Ergebnis des Urnengangs bestätigt den Trend, der mit der Präsidentenwahl eingesetzt hatte: Eine Mehrheit der Menschen in unserem Nachbarland ist der Politik des Sozialabbaus von Nicolas Sarkozy und seiner Union pour la Majorité Présidentielle überdrüssig. Zweifellos spielt auch das zuweilen lächerliche gemeinsame Auftreten Sarkozys mit Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Rolle. Der aus ihrer Großen Revolution entspringende Nationalstolz der Franzosen passt nicht zu Merkozy. Hinzu kommt die Sprunghaftigkeit von Hollandes Amtsvorgänger, die ihn auf unzähligen Hochzeiten zugleich tanzen ließ. Reinhard Mey hat recht, wenn er sagt, dass Louis de Funès der bessere Sarkozy war.

Bedrückend ist die vergleichsweise geringe Wahlbeteiligung von knapp 60 Prozent, die bisher höchste in der Fünften Republik. Sicher: Viele mögen gedacht haben, "Speedy Sarko" ist abgewählt und das reicht. Doch dass eine "cohabitation" zwischen einem sozialistischen Staatschef und einer rechten Parlamentsmehrheit wie zuletzt von 1997 bis 2002 mit Jacques Chirac als Staatspräsident und dem Sozialisten Lionel Jospin als Premier zu einem lähmenden innenpolitischen Stillstand geführt hätte, haben viele offensichtlich nicht durchdacht. Politikmüdigkeit ist das nicht. Aber Unwissen über das Funktionieren der - französischen - Demokratie. Nicht gut, wenn das in ihrem Geburtsland passiert.

Die UMP wird nicht müde zu betonen, dass sie in der zweiten Runde nicht um die Stimmen der rechtsradikalen Front national buhlen wird. Warten wir's ab. Das Versprechen hat die Sarkozy-Partei schon einmal gebrochen. Denn es geht um nicht mehr und nicht weniger als den völligen Verlust der (Regierungs-)Macht. Die Linke stellt schon den Präsidenten, die Mehrheit im Senat, die in der ersten Kammer ist sicher, und die Départements mit Ausnahme de Elsass' werden links verwaltet.

Es wird nicht einfach für die deutsche Bundesregierung. Umso mehr, wenn sich am 17. Juni nicht nur Frankreich, sondern auch Griechenland nach links dreht.

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Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 das politische Geschehen für n-tv. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist er Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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