Zwischenruf Funktionierende Demokratie
24.04.2009, 18:43 UhrGezweifelt hatte niemand am Sieg des ANC bei diesen vierten demokratischen Wahlen. Offen war bis zum Schluss, ob es wieder für eine Zweidrittelmehrheit reicht. Es hat. Damit bleibt die älteste Befreiungsbewegung Afrikas stärkste Partei im Parlament von Kapstadt. Die Hoffnungen der ANC-Abspaltung Volkskongress COPE, dem ANC einen Großteil seiner Anhänger abspenstig zu machen, haben sich mit nur 7,5 Prozent der Stimmen nicht erfüllt. Der COPE war von Anhängern des faktisch zum Rücktritt gezwungenen früheren Präsidenten Thabo Mbeki gegründet worden. Das massive Votum für den ANC ist damit auch eine zweifelsfreie Absage an Mbekis Kurs, der vom Kommunisten zum Neoliberalen wurde. Obzwar Mbeki große Anstrengungen unternahm die Lebenslage der überwiegend schwarzen Armen zu verbessern, wurde der Abstand zu den Reichen immer größer. Die Arbeitslosenquote liegt immer noch bei 40 Prozent.
Die Hoffnungen richten sich nun auf Jacob Zuma, den Vorsitzenden des ANC, dem die Wahl zum Staatschef sicher ist. Ob nun an den – gerichtlich niedergeschlagenen – Korruptionsvorwürfen etwas dran ist oder nicht: Die Wähler hat’s nicht gestört. Zuma kommt aus einfachsten Verhältnissen, er hat im Wahlkampf auch die Karte seiner Zuluherkunft ausgespielt und als früherer Geheimdienstchef der einstigen ANC-Guerilla Umkhonto We Sizwe lautstark deren Hymne "Gib mir mein Maschinengewehr" intoniert. Das klingt nach Kampf, das beeindruckt mehr als die Distanz, die Mbeki und andere zu ihrer revolutionären Vergangenheit pflegten. Nicht zuletzt das demonstrative Bekenntnis von Nelson Mandela zum ANC und damit zu Zuma hat viele überzeugt.
Die Wahlbeteiligung lag mit 80 Prozent über der des Urnengangs von 2004. Der Wahlakt verlief ohne nennenswerte Zwischenfälle. Das zeigt, dass die Demokratie in Südafrika funktioniert. Helen Zille, die deutschstämmige Bürgermeisterin von Kapstadt und Chefin der Demokratischen Allianz DA, mit rund 15 Prozent zweitstärkste Partei, wirft Zuma vor, die Verfassung zugunsten des ANC ändern zu wollen. Zuma hatte dies im Vorfeld in scharfer Form zurückgewiesen. Die Versuchung mag groß sein: Aber auch der als spontan und manchmal unberechenbar geltende Zuma weiß, dass er das Land nicht gegen die zumeist weißen DA-Anhänger regieren kann. Die Pervertierung von Simbabwes Robert Mugabe vom panafrikanischen Freiheitshelden zum einheimischen Despoten und der damit verbundene Niedergang des nördlichen Nachbarlandes dürften ihm abschreckendes Beispiel genug sein. Südafrika kann nur weiter funktionieren, wenn die von Mandela eingeleitete nationale Aussöhnung nicht gefährdet wird. Zugleich muss es Zuma gelingen, die Hoffnungen der schwarzen Bevölkerungsmehrheit auf eine grundlegende Verbesserung ihrer sozialen Lage zu erfüllen. Das kann zur Gratwanderung werden.
Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de