Zwischenruf James Bond in Mittelost
13.10.2011, 12:22 UhrEin Anschlag auf den saudischen Botschafter in den USA durch einen iranischstämmigen Texaner wird vereitelt. Steckt das Regime in Teheran hinter dem Komplott? Oder die Revolutionsgarden? Die USA verschärfen den Ton. Eine Geschichte wie aus einem Agententhriller, doch sie ist real und zeigt: Der Iran ist ein Pulverfass.
Die Geschichte klingt nach einem Drehbuch für einen James-Bond-Streifen: Ein iranischstämmiger Texaner will im Auftrag des selbsternannten Gottesstaates auf US-amerikanischem Territorium einen Anschlag auf den saudischen Botschafter in Washington verüben. Der Plot wird durch einen Hinweis der mexikanischen Regierung vereitelt. Dazwischen Drogenkartelle und die Anti-Drogenbehörde DEA. Nun kommen erste Zweifel an der Story ausgerechnet aus den Vereinigten Staaten, von Regierungsbeamten, die – natürlich – nicht genannt werden wollen.
Das Ganze hat freilich einen ernstzunehmenden Hintergrund: Das schiitisch-republikanische Regime im Iran ist dem wahhabitisch-feudalen Regime in Saudi-Arabien in fester Feindschaft verbunden. Teheran strebt nach der Vorherrschaft im Nahen und Mittleren Osten; Riad will sie sich nicht nehmen lassen. Religiöse Animositäten dienen als Drapage für geostrategische und wirtschaftspolitische Interessen. Medienwirksame Versuche, einen Ausgleich zu finden, scheiterten stets an den eigenen machtpolitischen Begierden.
Interessengewirr im Iran
Einen wesentlichen Unterschied gibt es zwischen beiden Staaten allerdings: Saudi-Arabien ist ein totalitärer Staat ohne eine nennenswerte Opposition, der von einer relativ homogenen Feudalclique beherrscht wird und ein enger Verbündeter der USA ist. Der Iran und die Vereinigten Staaten sind verfeindet; die Diktatur gründet sich auf ein konfuses Konzept von geistlicher und weltlicher Macht, das immer wieder von Protestwellen überflutet wird. Die Herrschaftsstrukturen sind zerrüttet: Der geistliche Herrscher Ajatollah Ali Khamenei und dessen Mullahs haben sich mit der weltlichen, gleichwohl religiös motivierten, Staatmacht um Präsident Mahmud Ahmadinedschad überworfen. Der Machtkampf tobt, mal offen, zumeist verdeckt. Die militärischen Strukturen widerspiegeln die Vielfalt und Gegensätzlichkeit der politischen Ziele: Neben der regulären Armee gibt es die paramilitärischen Polizeiformationen, die sogenannten Revolutionsgarden, denen die radikalen Basidsch-e-Mostaz'afin-Milizen und die Al-Quds-Einheiten zumindest organisatorisch angegliedert sind. Al-Quds ist der arabische Name Jerusalems. Angehörige der Truppe sollen auch im bosnischen Bürgerkrieg auf muslimischer Seite gegen Serben und Kroaten gekämpft haben. Im Libanon sind sie für die Unterstützung der schiitischen Hezb’allah zuständig.
Im Interessengewirr der Herrschenden im Iran ist durchaus vorstellbar, dass die Al-Quds-Einheiten unter Umgehung der offiziellen Kommandostränge abenteuerliche Terroranschläge verüben, die den Interessen der Ahmadinedschad-Clique zuwiderlaufen. Ein geglückter Anschlag auf den saudischen Botschafter in den USA hätte den Clan um den Staatschef noch weiter isoliert und die USA veranlasst, die militärische Karte auszuspielen. Innenpolitisch wäre Ahmadinedschad noch stärker in Bedrängnis gebracht worden. In jedem Fall zeigt die nach James Bond riechende Geschichte, dass die Region ein Pulverfass ist, das jederzeit explodieren kann.

Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de