Zwischenruf Jefferson und der Suppenkasper
09.01.2009, 08:10 UhrDie Bundesregierung gleicht seit ihrer Erkenntnis, dass die Kreditkrise doch eine etwas ernstere Angelegenheit ist, dem Suppenkasper. Nein, verstaatlichen will ich nicht, nein verstaatlichen will ich nicht. Nun also doch. Mit der Übernahme von 25 Prozent und einer Aktie der Commerzbank handelt die Koalition nicht etwa nach Marxschen Maximen, sondern in Übereinstimmung mit Artikel 14, Absatz 3 des Grundgesetzes. Es bleibt eine Teil-Verstaatlichung, auch wenn das Bundesfinanzministerium das Gegenteil behauptet und von einer "Wahrnehmung unserer Verantwortung für einen der großen deutschen Akteure am Finanzmarkt" spricht. Die Commerzbank erhält aus dem staatlichen Bankenfonds eine Kapitalspritze von zehn Milliarden Euro, nachdem Vater Staat bereits im November 8,5 Milliarden lockergemacht hatte. Ein hübsches Sümmchen, das nahezu problemlos aus dem Ärmel geschüttelt scheint. Ein Irrtum. Das Geld kommt aus dem staatlichen Bankenfonds und damit aus den Taschen der Steuerzahler.
Die Commerzbank hatte sich im US-Immobilienmarkt verspekuliert, der Grund für die erste Injektion. Nun geht es aber vor allem darum, die Belastungen aus der Übernahme der Allianz-Tochter Dresdner Bank abzusichern. Warum aber muss sich die Commerzbank die Dresdner Bank einverleiben?
Wiederholung des Desasters verhindern
Der Versicherungsgigant hatte die "Beraterbank" dereinst erworben, weil man in der Münchner Konzernzentrale der Meinung war, man könne über das Filialnetz der Dresdner so en passant Assekuranzen verkaufen. Nach dem Motto "Geb' ich dir ein Darlehen, kaufst du eine Police". Die Rechnung ist nicht aufgegangen. Welcher Teufel also reitet die Commerzbank, den Ritt über den Bodensee noch einmal zu probieren? Bei Lichte besehen, kommt der Bundesbürger für dramatische Fehlentscheidungen eines der weltgrößten Versicherungsunternehmen und des nach der Deutschen Bank zweitgrößten deutschen Geldinstituts auf.
Gleichwohl kann - rpt - kann die Bundesintervention Positives bewirken. Der Staat ist in der Lage, über sein Vetorecht bei wichtigen Entscheidungen und in der Hauptversammlung des Geldinstituts selbst gegen die Kreditklemme anzugehen. Die nämlich dauert trotz des Bankenrettungspakets von bis zu 500 Milliarden Euro an.
Vor diesem Hintergrund wird im Kabinett darüber nachgedacht, Banken bei der Vergabe von Krediten vor allem für kleine und mittlere Betriebe mit Bürgschaften la Hermes hinterm Ofen hervorzulocken. Fast ein Vierteljahr nach dem Beschluss über das Rettungsprojekt! Damit gesteht die Bundesregierung de facto ein, dass der Rettungsanker für die Banken in seiner bisherigen Form nicht gegriffen hat.
Der Staat ist angehalten, aus dem Verhalten der Banken Schlussfolgerungen zu ziehen, die über Rettungspakete und Teilverstaatlichungen hinausgehen. Nicht durch eine Totalverstaatlichung, sondern durch Normen und Kontrollmechanismen, die die Wiederholung dieser Desaster verhindern. Thomas Jefferson, dritter Präsident der USA, sagte: "Ich glaube, dass die Bankinstitutionen gefährlicher für unsere Freiheiten sind als stehende Heere." Bleibt zu hoffen, dass Barack Obama bei seinem Uraltvorgänger nachliest und den Text der Rede anschließend an das Bundeskanzleramt faxt.
Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de