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"Jesus war fett und süchtig" Kabarettist am Pranger

"Die christliche Kirche: Glaubt ihr kein Wort!" Der israelische Kabarettist Lior Schlein wollte die Lehren der christlichen Kirche verleugnen, so wie der umstrittene Bischof Richard Williamson den Holocaust verleugnete. "Warum sollte ich mich ärgern?", fragte Schlein in seiner nächtlichen Satire-Sendung beim privaten Fernsehkanal "Arutz 10". Jeden Abend wolle er eine weitere Lehre des Christentums in Frage stellen. Das erste Filmchen hinterfragte, ob Jesus auf dem See Genezareth gewandelt sei. Keineswegs! Schon als Baby war Jesus übergewichtig. Im Film wird ein dickes Baby gezeigt, nachdem zunächst kitschige Darstellungen eines schlanken und ranken Jesus aus dem Repertoire katholischer Jesus-Darstellungen präsentiert wurden. Jesus sei brotsüchtig gewesen und wohlbeleibt. "Wäre er vierzig Jahre alt geworden, hätte er so ausgesehen", wird zur Abbildung eines sich vor der Kamera räkelnden "vollschlanken" Mannes gesagt. Sein Leben lang habe Jesus Diät gemacht und sich geschämt, in der Badehose am See Genezareth zu zeigen. Jeden Sonntag habe er sein "letztes Abendmahl" angekündigt, um seiner Brotsucht eine Absage zu erteilen. "Deshalb ist den Christen der Sonntag so heilig."

Einen Tag später wird die Jungfräulichkeit Marias auf die Schippe genommen. Der nackte Bauch einer hochschwangeren jungen Frau wird im Film gezeigt. "Marias Eltern wollten ihre Tochter ins Kloster geben, aber weil Jesus noch nicht geboren war, gab es noch kein Christentum und deshalb auch keine Klöster."

Dumm, geschmacklos, gelungen

Diese gefilmten "Verleugnungen" des Christentums sind eine Mischung aus dümmlichen Ideen, geschmacklosen Szenen und einigen gelungenen Witzen, solange man Jesu Wandeln auf dem See Genezareth nicht tiefgläubig für eine der wichtigsten Lehren des Christentums hält. Gleiches gilt für die Jungfräulichkeit Marias, die schon im Mittelalter satirisch hinterfragt worden ist.

Die Holocaustleugnung wie des vom Papst zunächst rehabilitierten Bischof Williamson ist in Deutschland strafbar und verletzt in Israel die Gefühle vieler Menschen. Kabarettist Schlein begegnete den ungeheuerlichen Sprüchen des Bischofs mit geschmacklosem Humor. Doch im Nahen Osten ist Humor nicht gefragt. Unmittelbar nach der Sendung mit dem Filmchen zu Marias Geschlechtsleben erreichte "Arutz 10" ein bitterböser Beschwerdebrief einer christlichen Vereinigung aus Nazareth. Der Sender müsse sich entschuldigen, weil er die Gefühle von "Millionen Christen in aller Welt" verletzt habe. Die Anwältin des Senders, Debora Kimchi, und der Satiriker schickten postwendend eine "aufrichtige Entschuldigung". Schlein versprach, sich öffentlich zu entschuldigen. Das geschah in der Sendung vom 19. Februar.

Vatikan schaltet sich ein

Doch die Christen ließen nicht locker. Sie alarmierten den Vatikan. Der verurteilte prompt die "vulgäre" Satire. Sie sei ein "offensiver Akt der Intoleranz". Bei Kfar Jasif in Galiläa gab es am 21. Februar eine Demonstration, an der sogar Muhammad Barake teilnahm, Vorsitzender der kommunistischen Partei. Weitere Beschwerden folgten. Die Entschuldigung Schleins und des Senders reichten nicht aus. Die Nachtsendung müsse abgesetzt werden und Schlein sollte eine Geldstrafe erhalten. Während das Christentum seit Jahren den Antisemitismus bekämpfe, käme es immer wieder zu üblen Attacken auf Christen in Israel, hieß es in dem Brief an Staatsanwalt Meni Mazuz. In Or Jehuda seien Exemplare des Neuen Testaments verbrannt worden. Unerwähnt blieb freilich, dass Missionare sie an Juden ausgeteilt hatten, obgleich Missionstätigkeit in Israel strafbar ist.

Inzwischen beklagte sich über die gefühlsverletzende Satire sogar Al-Manar, TV-Sender der fundamentalistisch-islamistischen Hisbollah-Miliz im Libanon. Al-Manar ist übrigens in Frankreich und Deutschland wegen antisemitischer Hetze aus dem Kabelnetz verbannt.

Olmert zeigt Bedauern

Um dem internationalen Skandal über die Verunglimpfung von Jesu Gang auf dem Wasser und Marias Jungfräulichkeit einen Schlusspunkt zu setzen, äußerte schließlich am 22. Februar Ministerpräsident Ehud Olmert sein "Bedauern und Trauer". Die Satire habe sich über die christliche Theologie mokiert und den Vatikan verletzt. Während der Kabinettssitzung sagte Olmert den Ministern, dass die "Kommödien-Segmente" im "Widerspruch zu den guten Beziehungen zwischen Israel und der weltweiten Christenheit" stünden.

Die in ihren Gefühlen zutiefst verletzten israelischen Christen haben bis zur Stunde einen Mitschnitt der blasphemischen Satire auf ihrer Internet-Seite belassen, offenbar, damit diese Verunglimpfung der christlichen Theologie auch künftig von möglichst vielen Menschen nachempfunden werden kann.

Der Nahe Osten ist sein Metier. Ulrich W. Sahm berichtet seit Mitte der 70er Jahre aus der Region - immer auf der Suche nach der Geschichte hinter der Nachricht.

Quelle: ntv.de

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