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Zwischenruf Kleine Wahl - großer Knall?

"Schauen Sie mal, ich habe hier einen Gegenvorschlag", könnte Westerwelle hier sagen.

"Schauen Sie mal, ich habe hier einen Gegenvorschlag", könnte Westerwelle hier sagen.

(Foto: dpa)

Die Töne, die derzeit aus dem Regierungslager herausklingen, sind derart unter der Gürtellinie, dass an dieser Stelle besser auf Zitate verzichtet werden soll. Die gegenseitigen Angriffe lassen erahnen, wie es um eine Koalition bestellt ist, deren Mitglieder als Traumpartner zu bezeichnen heuer nur noch in Comedysendungen möglich ist.

Ein Krisengipfel jagt den anderen, die Kanzlerin distanziert sich von ihrem Vize, der trotzdem munter weitermacht, die Risse gehen quer durch die Parteien. Nicht nur, dass sich die Münchner und die Berliner CSU beharken, auch der liberale Wirtschaftsminister Rainer Brüderle geht auf Distanz zum geplanten Steuersenkungs-Tsunami seines Vorsitzenden. Mal soll eine kleine Steuerreform noch vor den Wahlen in Nordrhein-Westfalen am 9. Mai verkündet werden, dann wieder nicht und schlussendlich doch. Ministerpräsident Jürgen Rüttgers jedenfalls bangt, dass ihm das Danaergeschenk erspart bleibt, weil viele Kommunen an Rhein und Ruhr ohnehin auf dem letzten Loch pfeifen.

Die jüngsten Umfrageergebnisse von Forsa und Allensbach sollten Union und FDP Anlass sein, endlich mit gesellschaftlich spürbarer Sacharbeit zu beginnen. Das sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz hat allenfalls dazu geführt, das Anwachsen der Unzufriedenheit mit der Bundesregierung zu beschleunigen. Das Tempo könnte sich weiter verschärfen, sollte sich beim großen Thema Gesundheit der Eindruck vertiefen, der kleine Mann zahle drauf.

Die Opposition kann vom Schlingerkurs der Regierung nur profitieren. Die Sozialdemokraten werden aber nur in dem Maße weiter zulegen, in dem sie sich nach den Hartz-IV-Korrekturen auch von der Rente mit 67 verabschieden. Dass SPD und Linke gleichzeitig in der Wählergunst steigen, zeigt, dass beide nicht notwendigerweise in Nachbars Garten wildern müssen. Zugleich wird deutlich, wie gering das Interesse des Bürgers an linken Richtungs- und Personalstreitigkeiten ist. Die Grünen bleiben trotz eines leichten Verlustes konstant. Es gelingt ihnen, sich gleichermaßen vom bürgerlichen wie vom sozialdemokratisch-sozialistischen Lager abzugrenzen. Dieser Kurs wird sich nach dem Urnengang in NRW nicht fortsetzen lassen. Eine Entscheidung für Schwarz-Grün im bevölkerungsreichsten Bundesland zöge, anders als im Saarland oder in Hamburg, bundespolitische Konsequenzen nach sich.

Es geht um nicht mehr und weniger als um eine Machtverschiebung im Bundesrat zugunsten oder zuungunsten der Bundeskoalition aus CDU/CSU und FDP. Die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen gilt als "kleine Bundestagswahl". Wenn Union und FDP so weitermachen wie bislang, steht aber ein großer Knall bevor.

Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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