Kommentare

Zwischenruf Konservative müssen ihren Hut nehmen

Der sozialdemokratische Oppositionsführer Algirdas Butkevicius zeigte sich bei der Stimmenabgabe siegessicher.

Der sozialdemokratische Oppositionsführer Algirdas Butkevicius zeigte sich bei der Stimmenabgabe siegessicher.

(Foto: dpa)

Im Baltikum zeichnet sich ein Machtwechsel ab. Im ersten Wahlgang liegen Populisten und Sozialdemokraten in Führung während die Konservativen mit einer Wahlschlappe rechnen müssen. Das Ergebnis spiegelt einen derzeitigen Trend in der Europäischen Union wider.

Muss vermutlich seinen Posten räumen: Litauens derzeitiger Ministerpräsident Andrius Kubilius.

Muss vermutlich seinen Posten räumen: Litauens derzeitiger Ministerpräsident Andrius Kubilius.

(Foto: dpa)

Nun also Litauen. Nach Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, den Niederlanden, Portugal, der Slowakei, Slowenien und Spanien ist Litauen das zehnte Mitgliedsland der Europäischen Union, in dem sich die Regierung wegen ihres Sparkurs getauften Sozialabbaus eine blutige Nase holt. Noch im Mai hatte der konservative Ministerpräsident Andrius Kubilius behauptet, das Volk würde die Sparmaßnahmen gar nicht so hart empfinden, weil es sich noch gut sowjetischer Zeiten erinnern würde. Er täuscht sich gewaltig.

Nun kommt in Vilnius eine Koalition ans Ruder, deren wichtigste Mitglieder der Wahlsieger von der Arbeiterpartei und der postkommunistischen Sozialdemokratie sind. Manch einer malt nun das Schreckgespenst einer Linkskoalition an die Wand. Gemach: Die Arbeiterpartei ist ein Gebilde, das vom wahrscheinlichen künftigen Regierungschef Viktoras Uspaskich ins Leben gerufen wurde.

Nun war der in Russland geborenen Litauer tatsächlich einmal Arbeiter, der wie so viele nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion zu urplötzlichem Reichtum kam. Der einzige Unterschied zu russischen Parallelkarrieren mag darin bestehen, dass der Mann kein Bonze der Partei oder ihrer Jugendorganisation war.

Gewendete Kommunisten

Ob die "Darbo Partija" tatsächlich links steht, muss abgewartet werden. Die Verteilung sozialer Almosen aus dem Privatvermögen des Parteichefs zu Wahlkampfzwecken lässt kaum auf eine solche Ausrichtung schließen. Im Europäischen Parlament hat sich die Arbeiterpartei der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa angeschlossen. Die deutsche Mitgliedspartei ist die FDP. Auch die gewendeten Kommunisten waren während ihrer Regierungszeit nicht gerade sozial.

Ähnlich wie in Polen, mit dem Litauen eine lange gemeinsame Geschichte verbindet, verhielt sich die postkommunistische Sozialdemokratische Partei, während ihrer Regierungsbeteiligung äußerst handzahm gegenüber den Interessen der in- und ausländischen Unternehmerschaft. Soziale Kosmetik. Mehr ist auch vom angeblichen litauischen Linksbündnis kaum zu erwarten.

Der bedingungslose Unterstützer Merkel’scher Sparpolitik Kubilius musste also seinen Hut nehmen. Dass sich die Namens- und Ideengeberin der Phalanx der Hutnehmer in Litauen und anderen Wechselstaaten einreiht, ist unwahrscheinlich. Doch die Befolgung der Sparratschläge aus Berlin hat zur Folge, dass die Nachfrage nach deutschen Exporten tendenziell abnimmt. Über kurz oder lang stellt sich die Frage, wie lange der deutsche Fels der europäischen Brandung widerstehen kann.

Neu_Manfred-Bleskin_Sep12.jpg

Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 das politische Geschehen für n-tv. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Manfred Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen