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Zwischenruf Krieg ist unwahrscheinlich

Der Iran demonstriert seine Macht mit einem Seemanöver im Persischen Golf.

Der Iran demonstriert seine Macht mit einem Seemanöver im Persischen Golf.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Uhr am Persischen Golf steht auf sechs vor zwölf. Wenn der Zeiger auf fünf vor zwölf vorrückt, befindet er sich da, wo er in der Region schon seit Jahren steht. Trotz allen Säbelrasselns ist ein Krieg gegen den Iran wenig wahrscheinlich. Allein, weil gewaltige wirtschaftliche Interessen dagegen stehen.

Die Spirale der Konfrontation am Persischen Golf schraubt sich jeden Tag ein paar Zentimeter mehr nach oben. Die USA und der Iran überbieten einander in militärischen Drohgebärden. Die einen, weil sie nach dem kläglichen Ende des Irakkrieges und in Zeiten des beginnenden Wahlkampfes Stärke beweisen wollen, die anderen, weil sie sich vor dem Hintergrund der Umbrüche im arabischen Raum endgültig als Regionalmacht etablieren wollen.

Nicht zufällig flammt der vom wahhabitischen Saudi-Arabien in Bahrain niedergeschlagene Aufstand der schiitischen Bevölkerungsmehrheit zu einem Zeitpunkt wieder auf, in dem der schiitische Iran militärische Muskelspiele veranstaltet. Dies gilt auch für die Intensivierung der Repressalien im nunmehr schiitisch dominierten Irak gegen die sunnitische Minderheit. Über kurz oder lang droht das vom Assad-Clan beherrschte Syrien zu kippen. Baschar al-Assad ist Anhänger des Alevismus, der als Spielart der Schia gilt. Aus dem vielbeschworenen schiitischen Halbmond von Teheran über Bagdad und Damaskus bis nach Beirut droht ein Stück herauszubrechen.

Militärische Keule gegen den Iran

Als dritter bewaffneter Akteur – neben den USA und dem Iran – ist Israel mit im Spiel, wo besonders in den vergangenen Wochen die militärische Keule gegen den Iran geschwungen wird. Einflussreiche Ex-Geheimdienstler und Armeeoffiziere warnen vor einem Desaster, sollte Israel versuchen, wie im Falle Syriens oder des Irak, Nu klearanlagen aus der Luft zu zerstören. Im Kontext der jüngsten iranischen Tests mit weitreichenden Raketen erscheinen diese Warnungen überzeugend.

Angesichts der westlichen Drohungen, einen Ölboykott gegen den Iran zu verhängen und iranische Konten einzufrieren, hat es den Anschein, als wäre es derzeit sechs vor zwölf: Wenn der Iran seine Drohung wahrmacht und die Straße von Hormus dichtmacht, müsste es demnach fünf vor zwölf sein. Doch an dieser Stelle bleibt der Zeiger dort seit Jahren stehen. Alle Beteiligten wissen, dass eine Eskalation zur Katastrophe führen würde, die über die Region hinausginge. Nicht nur militärisch. Auch wirtschaftlich. Experten fürchten, dass dann der Preis pro Barrel Erdöl auf 150 US-Dollar hochschnellen könnte. Möglicherweise nicht nur für ein paar Tage. Denn durch die 54 Kilometer breite Meerenge zwischen dem Iran und dem Oman laufen 40 Prozent des auf dem Seeweg transportierten Rohöls – auch nach Südkorea und Indien. Und China, einer der wenigen außerschiitischen Partner des Iran, wüsste Wege zu verhindern, dass der Zeiger am Golf weiter vorrückt.

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Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 das politische Geschehen für n-tv. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist er Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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