Abschiedsworte des Kremlchefs Kühles Klima in Europa
15.02.2008, 10:42 UhrDie Frage, ob Europa vor einer neuen politischen Eiszeit steht, ist müßig. Wir stehen mitten drin. Freilich haben wir es nicht mit einer Blaupause des Kalten Krieges zu tun. Vieles hat sich zum Besseren gewendet. Aber die jüngsten Äußerungen von Russlands Präsident Wladimir Putin auf seiner Jahrespressekonferenz in Moskau bestätigen die negativen Trends und lassen für die Zukunft nichts Gutes ahnen.
Das scheidende Staatsoberhaupt greift die Europäische Union so scharf an wie nie zuvor. Anlass findet er genug: In der Frage der Stationierung von Teilen des US-Raketenabwehrschilds in Polen und Tschechien schließt der Kremlchef nicht aus, künftig seinerseits militärische Flugkörper auf die beiden NATO-Mitglieder richten zu lassen. Das wäre zwar noch keine Kriegserklärung, jedoch eine, abgesehen von den jugoslawischen Erbfolgekriegen, in Europa nach dem Zusammenbruch des Staatssozialismus beispiellose militärische Eskalation. Höchst besorgniserregend ist die Drohung an die Führung in Kiew: Sollte die Ukraine der NATO beitreten, wäre für Putin der Rubikon überschritten. Auch in diesem Fall würde Russland Raketen auf das Land richten. Eine Mitgliedschaft der Ukraine wird von deren Bevölkerung mehrheitlich abgelehnt; die Nein-Front reicht bis in die Anhängerschaft der "orangefarbenen Revolution" hinein. Der Geburtsort der Kiewer Rus in einem gegnerischen Block, das ist für Moskau etwas Ähnliches wie für Belgrad die Herauslösung des Amselfeldes aus dem serbischen Staatsverband.
In Sachen Kosovo blieb Putin erwartungsgemäß hart. Seine Ablehnung erfolgte zeitgleich mit einer Warnung Serbiens vor einer Unabhängigkeit der Provinz. Unklar ist, wie Moskau und Belgrad reagieren, falls die albanische Verwaltung in Priština am Sonntag tatsächlich einen eigenen Staat ausruft oder das Provinzparlament zumindest die entsprechende Absicht verkündet. Von Serbien angekündigte Wirtschaftssanktionen schließt Russland aus, zumal sie wegen der geringfügigen ökonomischen Beziehungen kaum Wirkung zeigen dürften. Sollte die NATO aber wegen der zu erwartenden Unruhen unter den Serben im Norden des Kosovo - wie erwogen – Truppen in die Region schicken, dann wären militärische Drohgebärden zu erwarten, deren Folgen niemand übersehen kann.
Die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo wie der US-Raketenschild in Polen und Tschechien scheinen unaufhaltsam. Ein Tauwetter in der europäischen Eiszeit ist in nächster Zeit unwahrscheinlich.
Quelle: ntv.de