Kommentare

Zwischenruf Langer, steiniger Weg

Barack Obamas klarer Sieg zeigt, wie tief die Enttäuschung über die Amtsführung von George W. Bush sitzt. Der Unmut reicht bis in traditionell republikanische Wählerschichten hinein. Der demographisch-ethnische Wandel hat nur bedingt eine Rolle gespielt. Noch vor vier Jahren hatte sich die spanischsprachige Minderheit überwiegend für Bush ausgesprochen; die Hispaniscs als größte Gruppe nach den so genannten Weißen haben sich erst unter dem Eindruck wachsender wirtschaftlicher Probleme für den schwarzen Senator aus Illinois entschieden. In allerletzter Konsequenz kam Obama also die Finanzkrise zur Hilfe. Man schaue sich nur die Umfrageergebnisse bis zum Crash von Lehman Brothers an. Noch im September lagen Obama und sein republikanischer Gegenspieler John McCain faktisch gleichauf. Der Bill-Clinton-Spruch „It’s the economy, stupid“ hat sich bewahrheitet. Die Zukunftsangst einer Mehrheit der US-Amerikaner hat Dimensionen angenommen, die dem pessimistischen Zeitgeist in der „Great Depression“ ähneln. Doch Barack Obama hat bislang kein Konzept vorgelegt, dass auch nur annähernd so tief greifend wäre wie der „New Deal“. Dies gilt insbesondere für die staatliche Kontrolle der Börsen.

Der Wahlausgang zeigt auch, wie hoch die Erwartungen sind. Bis zur Vereidigung am 20. Januar muss das Barack-Team neue Wege in Wirtschafts- und Finanzpolitik aufzeigen. Die Bedingungen für „change“, für Wandel und Veränderung, sind umso besser, als die Demokratische Partei auch in Senat und im Repräsentantenhaus hinzugewonnen hat. Bei der Krisenbekämpfung kann der der Neue, wenn er will, also über das Parlament Zeichen setzen, selbst, wenn Bush noch im Oval Office sitzt. Es wäre ein bedeutsames Zeichen, wenn Gastgeber Bush Obama beim Weltfinanzgipfel am 15 des Monats an seiner Seite hätte. Die Lage ist zu dramatisch, als dass man die Vereinigten Staaten die lahme Ente spielen lassen könnte.

Chance für die ganze Welt

Der globalen Krise kann nur global Einhalt geboten werden. Die Welt ist im Gefolge der desaströsen Politik der vergangenen acht Jahre multipolar geworden. Dank Bush haben die USA ihre selbst beanspruchte und im Westen überwiegend akzeptierte Führungsrolle verloren. Es wäre fatal, sollte Obama versuchen alten Wein in neuen Schläuchen zu verkaufen. Selbst für ein ehrlich gemeintes „primus inter pares“ ist es zu spät. Das Gipfeltreffen bietet eine erste Gelegenheit zu beweisen, dass das Wort vom „change“ auch in den internationalen Beziehungen gilt. Obamas martialische Gesten in Sachen Afghanistan und Irak mögen gut gewesen sein für den Wahlkampf um republikanische „Anti-Terror-Krieger“ für sich zu gewinnen, für praktische Politik taugen sie nicht.

Wenn er tatsächlich einen Wandel will, dann muss er über seine Wählerschaft hinaus weitere Teile von Gesellschaft und Politestablishment für sich gewinnen. McCains Kooperationsangebot ist rhetorisch, das macht jeder Wahlverlierer so. Die Gefahr einer Polarisierung ist groß. In einem breiten Streifen von West Virginia bis Idaho hat Obama nicht die Mehrheit hinter sich. Der deutliche Gewinn bei den Wahlmännerstimmen darf nicht über das „popular vote“ hinwegtäuschen. Nach Auszählung von 80 Prozent der abgegebenen Stimmen votierten 52 Prozent der Wähler für Obama, 47 Prozent für McCain. Nun sind beileibe nicht alle republikanischen Wähler Rassisten, aber ein Ende des Rassismus, wie Israels Präsident Shimon Peres meint, ist der Sieg Obamas noch lange nicht. Auch muss die Hautfarbe nicht den Ausschlag geben. Schließlich ist Bushs Außenministerin Condoleezza Rice Afroamerikanerin wie Obama. Malcolm X, Martin Luther King und die beiden Kennedy-Brüder wurden in erster Linie nicht ermordet, weil sie schwarz oder katholisch waren, sondern ihrer Politik wegen.

Der Weg, der vor uns liegt, ist lang, sagt der Wahlsieger. Und verdammt steinig.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen