Zwischenruf Medwedews Korrekturen
03.03.2008, 15:50 UhrDie Botschaft der Wahl von Dimitri Medwedew zum Präsidenten lautet Kontinuität. Das bedeutet Ausbau des Staatskapitalismus in den wichtigsten Wirtschaftszweigen bei Gewährung privater Spielräume im tertiären Sektor, Kotrolle der Medien bei Zulassung einiger kritischer Stimmen, Stärkung der außen- und militärpolitischen Positionen bei interessengebundener Zusammenarbeit mit dem Westen.
Herausforderungen warten
Freilich sind Korrekturen und Akzentuierungen möglich, ja dringend notwendig. Dazu gehört im gesellschaftlichen Überbau zuvörderst die vom künftigen Hausherrn im Kreml selbst beschworene Demokratisierung der Justiz und der Kampf gegen die Korruption. In der Wirtschaft ist dringender Handlungsbedarf angesagt: Will das Land international nicht nur mit dem Rohstoffpfund wuchern, muss es in den Spitzentechnologien einen großen Sprung nach vorn machen.
Finanzpolitisch muss der Neue etwas gegen die Inflation unternehmen, die 2007 mit rund zwölf Prozent fast das Doppelte der Prognosen erreichte. Damit eng verbunden sind Maßnahmen gegen die immer krasseren Unterschiede zwischen Arm und Reich. Nicht zuletzt die knapp 18 Prozent für den kommunistischen Präsidentschaftskadidaten Gennadi Sjuganow sind ein deutlicher Wink mit dem sozialen Zaunpfahl.
Entspannung ohne Gesichtsverlust
Nach außen wird sich nach der Präsidentenwahl in den USA ein neuer, verbindlicherer Ton fast wie von selbst einstellen, ganz gleich, ob der Nachfolger von George W. Bush aus dessen Republikanischer oder aus der Demokratischen Partei kommt. In der Sache aber werden weder Washington noch Moskau auch nur einen Millimeter gewonnenen Bodens preisgeben. Gut stehen die Chancen dagegen für eine Entkrampfung der Beziehungen zur Europäischen Union und einiger ihrer Mitgliedsstaaten.
Polens neue Führung will in Sachen US-Raketenabwehr erst einmal den Ausgang um das Rennen ins Weiße Haus abwarten; die bevorstehende Reise von Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Moskau zu Gesprächen mit Putin und dessen Nachfolger wird Russland Gelegenheit geben, ohne Gesichtsverlust einen Ausweg aus der Konfrontation der vergangenen Monate zu finden.
Eine grundsätzliche Abkehr vom Kurs des scheidenden Staatschefs Wladimir Putin oder gar eine Rückkehr zur Jelzinschen Politik des Sozialabbaus und nationalen Ausverkaufs würde Medwedew im System der "gelenkten Demokratie" das Amt, wenn nicht Kopf und Kragen kosten, und das Land ins Chaos stürzen. Ein instabiles Russland aber kann nicht im Interesse des Westens sein.
Quelle: ntv.de