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Ursache und Wirkung Merkel ist nicht das Problem

Zu Unrecht werden Merkel und Schäuble an den Pranger gestellt. Denn ihre harte Haltung im Zuge der Brüsseler Marathonsitzung war nahezu alternativlos.

Irland, Portugal, Spanien, Zypern – der Euro-Rettungsschirm funktioniert. In Finanznot geratende Länder können damit auf den Weg der wirtschaftlichen Gesundung zurückkehren. Nur Griechenland nicht. Seit nunmehr sechs Jahren. Warum? Griechenland agiert seit Jahren aus einer selbstgewählten Defensive. Ernsthafte Reformen mit dem Willen zur Verantwortung dem eigenen Land und der Euro-Gruppe gegenüber – Fehlanzeige. Die Eurogruppe, für die neuerdings die deutsche Kanzlerin Angela Merkel alleinige Stellvertreterin zu sein scheint, hatte keine Wahl. Die unnachgiebige Haltung im Zuge des dritten Rettungspakets durfte nicht anders ausfallen:

Ulrich Reitz ist Leiter der n-tv Wirtschaftsredaktion.

Ulrich Reitz ist Leiter der n-tv Wirtschaftsredaktion.

1.    Mit der Entscheidung, einen weiteren Rettungsversuch für Griechenland zu unternehmen, wurde dem Land eine neue Chance gegeben, nach den vereinbarten und für alle in der Gruppe geltenden Regeln Reformen zur finanziellen und wirtschaftlichen Gesundung auf den Weg zu bringen. Ja: Die in der Nacht von Sonntag auf Montag gefundene "Lösung" ist für Griechenland alles andere als optimal. Aber was wären die Alternativen? Alternative 1: Ein weichgespülter Kompromiss, wie ihn die Herren EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, EU-Parlamentschef Martin Schulz und Frankreichs Präsident Francois Hollande befürworten, wäre für alle Linkspopulisten in der Eurozone eine Blaupause für die Zukunft gewesen – und der Einstieg in eine dauerhafte Transferunion. Alternative 2: Ein Grexit würde allen Rechtspopulisten in die Hände spielen, die gerne das Ende des Euro herbeireden. Der Euro aber bleibt eine Erfolgsgeschichte, selbst in dieser Krise.

2.    Natürlich muss man fragen, ob Hellas jemals seine Milliardenschulden zurückzahlen und eine Staatspleite verhindern kann. Konstruktive Vorschläge aus Athen wären da hilfreich. Sie sind seit sechs Jahren überfällig. Sechs Jahre der wirtschaftlichen Stärke in Europa, in denen man viel hätte bewirken können. Damit, dass die griechische Regierung selbst keine strukturellen Reformen angeht und Vorschläge aus dem Ausland stets ablehnt, macht es sich Athen zu leicht. Vermutlich sind die Milliarden Euro an Hilfsgeldern futsch. Aber umso mehr ist es dann jetzt doch Zeit für grundlegende Reformen in Griechenland, damit nicht weitere Milliarden von der Eurogruppe abgeschrieben werden müssen. "Immer weiter so" kann doch nicht die Lösung sein.

3.    Die einzige Möglichkeit, die Ausfallrisiken für die europäischen Steuerzahler zu senken, besteht darin, dass Griechenland an seiner Kreditwürdigkeit arbeitet und dafür sorgt, dass private Investoren wieder an griechischen Staatsanleihen interessiert sind. Denn das Problem ist ja nicht ein verschuldeter Staatshaushalt – die meisten Staaten sind verschuldet. Das Problem ist das mangelnde Vertrauen der Kapitalmärkte in Griechenland. Bislang scheuen private Investoren das Risiko von griechischen Staatsanleihen – die internationale Quelle für laufende Staatsfinanzen –, weil Athen vor allem nach einem zweiten Schuldenschnitt verlangt. Warum sollen da private Investoren in griechische Rentenpapiere investieren? Da wartet das scheue internationale Kapital doch lieber ab. Und deshalb muss die Eurogruppe immer weitere Hilfsmilliarden aufbringen.

4.    Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble werden zu Unrecht an den Pranger gestellt. Immerhin unterstützen 15 von 18 Regierungen der Euro-Länder den Kurs aus Berlin. Es ist also durchaus die Entscheidung einer deutlichen Mehrheit. Wäre man eingeknickt, wäre die griechische Regierung nicht ausreichend unter Druck, die drängendsten Reformen anzugehen. 

Ob das jüngste Rettungspaket die Lösung bringt, ist freilich fraglich. Wenn eine Regierung nicht hinter Reformen steht und dies sogar öffentlich einräumt, dann ist mit allem zu rechnen – nur nicht damit, dass sie die Änderungen beherzt und nachhaltig angeht. Merkel ist nicht das Problem. Und auch die Lösung kann letztlich nur Athen herbeiführen.

Quelle: ntv.de

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