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Zwischenruf Niederlande rücken nach rechts

Wilders zeigt sich zufrieden.

Wilders zeigt sich zufrieden.

(Foto: dpa)

Die Parlamentswahlen in den Niederlanden zeigen: Aus dem einstigen Vorzeigeland für Toleranz droht ein Fallbeispiel für Konfrontation und Instabilität zu werden.

Wie auch immer die künftige Regierung der Niederlande aussieht: Unsere Nachbarn haben bei den vorgezogenen Parlamentswahlen für einen deutlichen Rechtsruck gesorgt. Damit setzt sich im Königreich ein Trend fort, der bereits in anderen Ländern der Europäischen Union wie Ungarn und Tschechien zu beobachten war. Das traditionelle Parteiensystem befindet sich in einem Erosionsprozess.

Einst galten die Niederlande als das liberale, besser: bürgerlich-freiheitliche Vorzeigemodell der EU: Maastricht stand für Europa statt Nationalstaat, die Einwanderung war problemlos, der Drogenkonsum liberalisiert, die Sterbehilfe gelockert, Toleranz herrschte allenthalben und gegenüber jedermann. Ganz offensichtlich ist das Modell an seine Grenzen gestoßen und hat große Teile der christlichen - protestantischen wie katholischen - Bevölkerung überfordert. Der erste - außerhalb des Landes wahrgenommene – Warnschuss war die Ablehnung des Lissabonner Vertragswerks. Der Urnengang ist das Abschlussfeuerwerk.

Zwar stand der Umgang mit der Wirtschaftskrise im Vordergrund und war entscheidend für die Stimmabgabe. Doch der militante Rassismus der Partij voor de Vrijheid des mit Rechtspopulist noch schmeichelhaft beschriebenen Geert Wilders ist auf fruchtbaren Boden gefallen und hat der erst vor vier Jahre gegründeten Gruppierung den dritten Platz beschert. Auch die siegreiche Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (VVD) spielte auf der Klaviatur von "Überfremdung" und "Zerstörung der nationalen Identität", wenngleich in abgeschwächterer Form als die Wilders-Partei. Wilders, zeitweilig Abgeordneter der Tweede Kammer, des Unterhauses des Parlaments in Den Haag, hatte sich nicht zuletzt deshalb von der VVD getrennt und seinen eigenen Verein aufgemacht.

Dramatischer Einbruch bei Christdemokraten

Die Christdemokraten des Christen Democratisch Appèl (CDA) von Premierminister Jan Balkenende sind dramatisch eingebrochen. Acht Jahre Marktliberalismus und Afghanistankrieg waren offensichtlich genug. Die Koalition mit der sozialdemokratischen Partij van de Arbeit (PvdA) war Mitte Februar am Streit über die Fortsetzung des Afghanistaneinsatzes zerbrochen. Der zweite Platz der PvdA dicht hinter dem Wahlsieger ist schon deshalb ein Erfolg, weil der Partei größere Verluste vorhergesagt worden waren. Die Rückbesinnung auf soziale Inhalte ist beim Wähler zweifelsfrei überzeugender angekommen als die ihrer deutschen Schwester. Ein Gutteil der Gewinne der Sozialdemokraten ist auch auf die Verluste der ex-maoistischen Sozialisten (SP) zurückzuführen, die zehn von 25 Sitzen verloren. Groenlinks, aus der einstigen KP, Linkssozialisten und der evangelischen Volkspartei hervorgegangen, konnte in sozialen und friedenspolitischen Fragen wieder mehr überzeugen als die SP.

Wie die künftige Regierung aussehen wird, ist offen. In jedem Fall wird sie ein Land regieren, dessen Bevölkerung deutlich in Rechts und Links gespalten ist. Aus dem einstigen Vorzeigeland für Toleranz droht ein Fallbeispiel für Konfrontation und Instabilität zu werden.

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Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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