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Zwischenruf Nun wackelt die Koalition

Selten in der bundesdeutschen Geschichte ist der Kampf um das höchste Amt im Staate so sehr zu einer parteipolitischen Auseinandersetzung wie dieser Tage. Noch nie ist ein Bundespräsident zum zweiten Mal angetreten, wenn er sich der Mehrheit in der Bundesversammlung nicht sicher war. Horst Köhler will es trotzdem versuchen. Warum?

Buchen wir den Satz, er wolle dem Land zurückgeben, was es ihm gegeben hat, einmal unter der Rubrik Rhetorik ab. Unter den Bedingungen eines seit Anbeginn zerstrittenen Regierungsbündnisses gewinnt die Ankündigung von Bellevue höchst koalitionspolitischen Charakter. Zugunsten der Union. Nicht, weil Köhler der CDU angehört. Es gab Zeiten, da war Köhler Angela Merkel und den Ihren eher unbequem.

SPD unter Druck

Durch Köhlers Statement ist die SPD unter Druck geraten und nachgerade gezwungen, einen Gegenkandidaten aufzustellen. Tut sie es nicht, legt der Wähler ihr dies als Schwäche aus. Gerade dies aber kann sich die in Umfrage vor sich hin dümpelnde SPD nicht leisten. Ändern sich die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat nach den absehbaren Einbußen der CSU bei den bayerischen Landtagswahlen im September in Richtung SPD, hätte eine Kandidatin Gesine Schwan gute Aussichten gewählt zu werden. Wenn dies mit den Stimmen der Linken geschieht, wäre dies beiliebe kein Zeichen für eine institutionalisierte "linke Mehrheit" in Gestalt einer rot-rot-grünen Koalition.

Die Präsidentin der Europa-Universität "Viadrina" in Frankfurt/Oder ist politisch viel zu gewieft, um hier zur Vorreiterin zu werden. Sie mag eine Athene sein - eine Jeanne d'Arc ist sie nicht. Eine Regierungsbeteiligung der Partei von Bisky, Lafontaine und Gysi im Bund wäre zudem nur möglich, wenn sie in Sachen NATO, EU und Sozialpolitik Grundsatzpositionen aufgeben würde. Dies aber kann sich die Linke bei Strafe ihres Untergangs, zumindest aber des Absinkens in die politische Bedeutungslosigkeit nicht leisten.

Kein Zeichen der Stabilität

Köhler hätte mit seinem Statement ruhig noch so lange warten können, bis sich die SPD vielleicht doch für ihn entschieden hätte. Oder sich die Koalitionäre auf einen gemeinsamen anderen Kandidaten geeinigt hätten. Dies hätte ein Zeichen der Stabilität setzen können. Nun aber wird die innere Zerrissenheit der Berliner Allianz noch deutlicher. Für ihre Regierungsfähigkeit kann dies nichts Gutes bedeuten. Nicht, dass die Koalition morgen zerbricht. Aber ein solches Szenario ist wahrscheinlicher geworden.

Quelle: ntv.de

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