Zwischenruf Obamas Nahostdebakel
08.12.2010, 13:41 UhrWenn es um Problemlösungen geht, setzen US-Präsidenten gern eine Frist bis Jahresende. Der gegenwärtige Amtsinhaber hätte nach früherer Aussage noch 23 Tage Zeit, den israelisch-palästinensischen Konflikt zu beenden. Doch die "deadline" ist … eine "tote Linie".
Mit der Aufgabe des Ziels, Israel zu einem Baustopp in den besetzten palästinensischen Gebieten zu bewegen, muss die Administration eine weitere Niederlage eingestehen. Offenbar hatten sowohl das Weißen Haus als auch das State Departement darauf gesetzt, dass die in Aussicht gestellte Lieferung von 20 "F-35 Stealth"-Bombern die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu milde stimmen könnte: weit gefehlt. Damit bewegt sich der Prozess, dem fälschlicherweise das Wort vom Nahostfrieden vorangestellt wird, wieder um den Nullpunkt. Für die Koalition aus den Rechtsparteien Likud und Israel Beitenu würde ein Baustopp im Westjordanland und erst recht im annektierten Osten Jerusalems das politische Ende bedeuten. Für die Palästinensische Befreiungsorganisation PLO, die Dachorganisation der wichtigsten palästinensischen Parteien mit Ausnahme der Hamas, stellt die Forderung nach einem Baustopp die Minimalplattform dar, um mit Israel zu verhandeln. Gibt PLO- und Autonomiebehördenchef Mahmud Abbas diese Position auf, wäre auch seine politische Laufbahn am Ende. In den linken PLO-Mitgliedsorganisationen, aber auch in Abbas bürgerlich-nationalistischer Fatah, regt sich heftiger Widerstand gegen die als Beschwichtigungspolitik empfundene Linie des Arafat-Nachfolgers.
Zu Beginn seiner Amtszeit weckte Barack Obama bei den Palästinensern nicht zuletzt mit seiner Kairoer Rede an die islamische Welt Hoffnungen auf ein Ende der Dauerkrise. Diese, auch an dieser Stelle geäußerten, Hoffnungen haben sich mit dem Verzicht auf einen Siedlungsstopp oder zumindest ein Baustoppmoratorium zerschlagen. Auch bis zum Ende der Amtszeit dieses US-Präsidenten ist nunmehr keine Lösung in Sicht.
Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de