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Nach der umjubelten Messe Papst trifft Netanjahu

Der Papst hielt vor 50.000 Christen eine Messe am "Berg des Absturzes" bei Nazareth.

Der Papst hielt vor 50.000 Christen eine Messe am "Berg des Absturzes" bei Nazareth.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Schon in den Nachtstunden strömten die ersten Messeteilnehmer zu dem neugebauten Amphitheater am "Berg des Absturzes" bei Nazareth. Rund 8000 Polizisten hatten mit "präzedenzlosem" Sicherheitsaufwand viele Straßen rund um Nazareth und in der mehrheitlich muslimischen Stadt gesperrt, um Zwischenfälle auszuschließen. Zehntausende bunt gekleidete Menschen füllten das Gelände. Viele trugen Hüte auf den Köpfen oder hielten Zeitungen hoch, um sich vor der brütenden Sonne zu schützen.

Der Name des Ortes, "Berg des Absturzes" oder auch "Berg des Absprungs", geht auf eine obskure Geschichte im Neuen Testament zurück: In der Synagoge zitiert Jesus Bibelverse. Seine Zuhörer sind so empört, dass sie Jesus auf der Stelle umbringen wollen. Worin die ungeheuerliche Provokation Jesu bestand, verstehen selbst studierte Theologen nicht. Von jenem Berg wollten sie ihn herabstürzen. Doch Jesus "ging durch die Menge" und verschwand.

Von 50.000 Menschen umjubelt

Die unüberschaubare Menge von geschätzten 50.000 Menschen aus Israel und vielen Ländern der Welt jubelte, als der Papst in seinem Papamobil vorgefahren kam. Im gelben Gewand trat Benedikt XVI auf die Bühne und setzte sich hinter dem Altar auf einen riesigen Thron mit eingelassenem Jerusalem-Kreuz. "Viva Baba" ertönte es aus der fröhlichen und Fahnen schwenkenden Menge. Ganz vorne, nahe der Bühne sangen Priester in weißen Gewändern Kirchenlieder. Sie trugen weiße Basketballkappen mit aufgedrucktem Papstwappen und gelbem Schirm.

Nach der Predigt kamen Gläubige aus der Menge zum Papst. Eine junge Sängerin kam laut singend mit Mikrophon in der Hand. Sie beugte sich nieder und küsste dem Papst die Füße. Lauter Applaus in der Menge. Fahnen wurden geschwenkt, israelische, französische, italienische und sogar ganz große jordanische und eine palästinensische Flagge nahe der Bühne.

Das Gespräch mit Netanjahu (l.) fand hinter verschlossenen Türen statt.

Das Gespräch mit Netanjahu (l.) fand hinter verschlossenen Türen statt.

Begleitet von arabischem Gesang verließ der Papst die Bühne. Mindestens zwanzig Sicherheitsleute in dunklen Anzügen umringten ihn, während ein Spalier von Polizisten dafür sorgte, dass niemand dem Papst zu nahe kommen könne. Genau zweieinhalb Stunden dauerte die Messe.

Gemeinsam gegen den Antisemitismus

Am Nachmittag wartete der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu lange Minuten in einem Raum nahe der Verkündungskirche in Nazareth auf das Gespräch mit dem Papst. Der Franziskaner-Kustos Pietrobattista Pizzaballa und der israelische Vatikanbotschafter Motti Lewy befanden ebenfalls dort, als endlich der Papst erschien. Netanjahu und der Papst schüttelten die Hände und setzten sich auf purpurrot bezogene Stühle. Ein paar Minuten lang ergingen sie sich in "Smalltalk", bis schließlich die Fotografen den Raum verlassen mussten. Das Gespräch hinter verschlossenen Türen dauert etwa 50 Minuten. Über Inhalte ist bisher nichts bekannt geworden.

Im israelischen Fernsehen redete derweil der ehemalige Vatikanbotschafter Oded Ben Hur über die Beziehungen zwischen der Kirche und Israel. Eine Ausweitung der Beziehungen könnte es durch einen gemeinsamen Kampf gegen Antisemitismus und "Antiklerikalismus" gegeben. Weiter sagte Ben Hur, dass es eine vertiefte Zusammenarbeit beim "Wissensaustausch zum Kampf gegen Terrorismus" geben könnte. Er erzählte, dass katholische Priester in der ganzen Welt verteilt auch in problematischen Regionen ganz nahe an den Menschen seien. Einmal im Jahr müssten sie Stimmungs-Berichte an den Vatikan abliefern, was bedeute, dass ausgerechnet der Kirchenstaat in vielen Dingen besser informiert sei als so mancher Geheimdienst.

Christenheit hat Problem mit dem Staat Israel

Weiter sagte der Diplomat, der drei Jahre lang im Vatikan gedient hat, dass die Christenheit ein theologisches Problem mit der Existenz des Staates Israel habe. Die Juden berufen sich auf ihren Bund mit dem Gott Abrahams und dessen Landesheißung, um die Errichtung ihres Staates im Gelobten Land zu rechtfertigen. Doch mit der Ankunft Jesu als Messias sei aus katholischer Sicht die Christenheit zum "auserwählten Volk" geworden. Der alte Bund Gottes mit dem jüdischen Volk sei aufgelöst und durch den neuen Bund mit den Christen ersetzt worden.

Zwar stelle die Kirche keine territorialen Ansprüche im Heiligen Land, so der Botschafter, doch tue sich der Vatikan schwer damit, dass heute ausgerechnet Juden einige der wichtigsten christlichen Stätten unter ihrer Kontrolle haben. Deshalb betreibe der Vatikan bis heute das Ziel, Jerusalem und Bethlehem unter internationale Kontrolle zu stellen. Im Teilungsplan von 1947, der internationalen Legitimierung für die Errichtung eines "jüdischen Staates", und in späteren UNO-Resolutionen wird empfohlen, dass Jerusalem dem UNO-Sicherheitsrat unterstellt werden sollte. Dort haben letztlich "christliche" Staaten eine Mehrheit. Die Juden wie auch die muslimischen Palästinenser müssten auf Jerusalem als ihre jeweilige Hauptstadt verzichten. Weder Israel noch die Palästinenser können das heute mehr akzeptieren.

Der Nahe Osten ist sein Metier. Ulrich W. Sahm berichtet seit Mitte der 70er Jahre aus der Region immer auf der Suche nach der Geschichte hinter der Nachricht.

Quelle: ntv.de

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