Zwischenruf Peres' gute Botschaft
27.01.2010, 15:50 UhrDie Botschaft des israelischen Staatspräsidenten Schimon Peres, der zum Holocaust-Gedenktag vor dem Bundestag sprach, war: "Nie wieder"!
Das Reichstagsgebäude war einmal mehr Ort des Gedenkens an den Massenmord der Nazis an den europäischen Juden. Welten liegen zwischen jener Zeit, als die erschütternde Fernsehserie "Holocaust" 1979 - auf Betreiben des Bayerischen Rundfunks zunächst nur in den dritten TV-Programmen - ausgestrahlt wurde und dem heutigen Tag. "Holocaust" ist seither im deutschen Sprachraum Synonym für das Unvorstellbare. Gleichwohl ist es dringlich, an den Inhalt des von manchem Spitzenpolitiker aus nicht nachvollziehbaren Gründen gern englisch ausgesprochenen Wortes aus dem Griechischen zu erinnern. Das ist heute in Berlin geschehen.
Israels Präsident Schimon Peres schilderte in zu Herzen gehenden Worten die Vernichtung eines Teils seiner Familie durch Angehörige jenes Volkes, vor dessen höchsten Repräsentanten er nun als dritter Staatschef seines Landes auftrat. Es blieb dem jüdisch-polnischen Historiker Feliks Tych überlassen, im Bundestag auch an die Beteiligung von Menschen aus den besetzten oder mit Hitlerdeutschland verbündeten Staaten an dem Genozid hinzuweisen. In nicht wenigen davon, namentlich im Baltikum, werden die Angehörigen von SS- und anderen Banden gern als Widerständler gegen den Stalinismus gefeiert. Trotz der, wie Johannes Paul II. formulierte, Komplexität der Kriegsteilnahme der Sowjetunion, wäre es vielleicht angebracht gewesen, die sowjetischen Soldaten zu erwähnen, die das Vernichtungslager Auschwitz am 27. Januar vor 65 Jahren befreiten.
Peres wurde zu Recht nicht müde, die Rolle Adenauers bei der Annäherung der Bundesrepublik an den jungen Staat Israel zu würdigen. Kritische Worte waren im Hohen Hause nicht zu erwarten, denn dass mit Hans Globke der Autor der Nürnberger und anderer "Rassen"gesetze Staatsekretär im Adenauerschen Kanzleramt war, ist die andere Seite der Medaille.
Neue Ideen zur Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts waren von Peres nicht zu erwarten. Sein Bekenntnis zu einer Zwei-Staaten-Lösung war unmissverständlich. Allein ist zweifelhaft, dass es unter Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu zu substantiellen Fortschritten kommt. Richtig war jedoch, allen Kritikern der israelischen Politik noch einmal entgegenzuhalten, dass es sieben arabische Armeen waren, die den jungen Staat dereinst überfielen. Angemerkt soll auch werden, dass nicht allein Israel, sondern auch Ägypten den Gazastreifen blockiert.
Die Botschaft an dem, auf den früheren Bundespräsidenten Roman Herzog zurückgehenden Gedenktag war "Nie wieder"! Und das ist eine gute Botschaft.

Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de