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Zwischenruf Ratingagenturen gegen den Euro?

Die Ratingagenturen treiben weiter ihr Unwesen. Das letzte Opfer: Portugal. Dort wittert jetzt die Opposition ihre Chance, sich als Retter der Nation zu präsentieren. Außerdem könnten die Stimmen, die eine Abkehr vom Euro fordern, lauter werden.

Hat die Opposition ihre soziale Ader entdeckt? (im Bild: Pedro Passos Coelho, Chef der PSD)

Hat die Opposition ihre soziale Ader entdeckt? (im Bild: Pedro Passos Coelho, Chef der PSD)

(Foto: picture alliance / dpa)

Seit Beginn der Finanzkrise prahlen deutsche und andere europäische Politiker über die Maßnahmen, die sie getroffen hätten, damit sich "so etwas" nicht wiederholt. Getan hat sich … nichts. Besonders die gefürchteten Ratingagenturen treiben weiter ungestört ihr Unwesen. Das vorerst letzte Opfer heißt Portugal. Nachdem Moody’s vor ein paar Tagen die Kreditwürdigkeit des Landes am Rande des Alten Kontinents abermals herabgestuft hatte, war der Fall der von Ministerpräsident José Sócrates geführten Minderheitsregierung seiner sozialdemokratischen PS eine Frage der Zeit.

Nun wird Portugal mehr übel als wohl unter den Rettungsschirm der EU schlüpfen müssen. Damit verbunden sind weitere Steuererhöhungen, Streichungen von Sozialleistungen, Lohnkürzungen im öffentlichen Dienst und in den wenigen nach der Aprilrevolution von 1974 verbliebenen Staatsunternehmen, von denen weitere zum Verkauf anstehen.

Wer ist schuld?

Bislang hatte die liberal-konservative PSD als größte Oppositionspartei den rigiden Sparkurs des Kabinetts Sócrates in der Nationalversammlung stets unterstützt. Dass die PSD die PS diesmal brüskierte, ist nicht darauf zurückzuführen, dass die Liberalkonservativen ihre soziale Ader entdeckt hätten: Sie spekulieren vielmehr darauf, der PS, der EU, dem Internationalen Währungsfonds oder weiß der Teufel wem die Schuld zu geben, wenn der Staat den Portugiesen künftig noch tiefer ins Portemonnaie greift. Und sich als Retter der Nation zu präsentieren.

Neuwahlen können frühestens im Mai stattfinden. Staatspräsident Aníbal Cavaco Silva gab dem Rücktrittsgesuch des Regierungschefs auch deshalb so rasch statt, weil er – aus der PSD kommend – auf einen Wahlsieg seiner politischen Heimstatt hofft. Sicher ist das nicht. Doch Portugal steht am Vorabend sozialer Kämpfe, was die Linke aus Kommunisten und Linksblock weiter stärken wird. Manch einer meint mit einem Augenzwinkern, es sei kein Zufall, dass ein Folkduo mit der Parodie eines Revolutionsliedes Sieger beim gestrigen Musikfestival des staatlichen RTP-Fernsehens wurde. Mehren werden sich in jedem Fall aber auch - quer durch die Parteien - jene Stimmen, die eine Abkehr vom Euro fordern. Ist es Zufall, dass das "trio infernal" der Ratingagenturen in der Dollar-Heimat USA ansässig ist?

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Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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