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Zwischenruf Revolution oder Umsturz?

Kein Tulpenrevolutionär: der gestürzte Bakijew.

Kein Tulpenrevolutionär: der gestürzte Bakijew.

(Foto: dpa)

Für den Aufstand in Kirgisistan ist noch kein Name gefunden - und so wird es wohl auch bleiben. Allzu eilfertig hatte man die Woge der Gewalt, welche den jetzt gestürzten Präsidenten Kurmanbek Bakijew an die Macht spülte, Tulpenrevolution genannt. Der Umsturz war wie die orangefarbene der Ukraine und die Rosenrevolution Georgiens nichts anderes als der Übergang der Fleischtöpfe von einer Oligarchenhand in die andere.

Auch der zunächst als Demokrat gehandelte ehemalige KP-Bonze erwies sich immer mehr als Clanchef, der seine (Groß-)Familie mit Posten versorgte. War die "Tulpenrevolution" der Aufstand des mehrheitlich von ethnischen Usbeken bewohnten Südens, so sind die jetzigen Ereignisse Ausdruck der Unzufriedenheit des mehrheitlich von Kirgisen bewohnten Nordens. Beide Landesteile sind erst seit 1924 in einer Republik vereint, wobei der Süden dem Turkestaner Generalgouvernement zugeordnet war. Regierungssitz war das usbekische Taschkent. Separatistische Bestrebungen mit Blick auf einen Anschluss an Usbekistan werden im Norden argwöhnisch beäugt. Beide Landesteile sind wirtschaftlich unterentwickelt, der Süden ist besonders benachteiligt.

Die Lage in Kirgisistan bleibt unübersichtlich.

Die Lage in Kirgisistan bleibt unübersichtlich.

(Foto: dpa)

Die selbsternannte Regierungschefin Rosa Otunbajewa gehörte wie Bakijew einst zur KP-Nomenklatura und stammt aus der im Norden gelegenen Hauptstadt Bischkek. Mit der Anerkennung ihrer "Volksregierung" durch Russlands Ministerpräsident Wladimir Putin stellt sich Moskau emotionslos auf die neuen Machtverhältnisse ein. Zur Sicherung seiner Interessen in Zentralasien kann Russland nicht auf Kirgisistan verzichten. Bakijew war ein verlässlicher Partner. Ob Otunbajewa ebenso den russischen Erwartungen entspricht, bleibt abzuwarten. Immerhin wollte Bakijew den für den Afghanistankrieg unverzichtbaren US-Stützpunkt in der Nähe von Bischkek auf Drängen Russlands auflösen. Dies konnte nur gegen Zahlung eines Entwicklungshilfe genannten Schmiergeldes in Millionenhöhe verhindert werden. Otunbajewa, zeitweilig Botschafterin in Washington, werden bessere Beziehungen zu den Vereinigten Staaten nachgesagt.

Nun hat Putin Hilfe zugesagt. Selbst, wenn die Mittel wider Erwarten beiden Landesteilen gleichermaßen zugute kommen, ist eine Lösung der Probleme nicht zu erwarten. Kirgisistan bleibt ein Unruheherd, die nächste "Revolution" ist eine Frage der Zeit.

Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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