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Kraft will Minderheitsregierung Riskant, aber konsequent

Sie wollen es wissen: SPD-Chefin Kraft und Grünen-Fraktionschefin Löhrmann wagen den Versuch einer Minderheitsregierung.

Sie wollen es wissen: SPD-Chefin Kraft und Grünen-Fraktionschefin Löhrmann wagen den Versuch einer Minderheitsregierung.

(Foto: dpa)

SPD und Grüne wagen den Versuch einer Minderheitsregierung in NRW. Damit beugt sich Kraft dem Druck ihrer Partei und geht einen Weg, der vor allem für sie voller Risiken ist.

Nun also doch. Hannelore Kraft sucht das Risiko und lässt sich auf die Bildung einer Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen ein. Die SPD-Landeschefin begibt sich auf einen unsicheren Weg, der gefährliche Stolperfallen bereit hält und zum größten Teil im Dunkeln liegt. Ein Scheitern von Rot-Grün bleibt jederzeit möglich. Trotzdem ist die Entscheidung konsequent und politisch glaubwürdiger, als es Krafts Pläne eines Politikwechsels aus dem Parlament heraus waren. Die einzige Alternative wären Neuwahlen gewesen, eine Große Koalition wurde von der SPD abgelehnt.

Kraft begründet ihren Schritt mit Aussagen des FDP-Landeschefs Andreas Pinkwart. "Der Koalitionsvertrag der letzten Legislaturperiode ist abgearbeitet”, hatte der in einem Interview gesagt und damit die schwarz-gelbe Koalition in Düsseldorf formal für beendet erklärt. Die FDP wolle im Landtag nun auf eigene Rechnung "Mehrheitsentscheidungen im Interesses des Landes" herbeiführen. Eine deutliche Absage an die CDU und den noch amtierenden Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers.

Kraft ist getrieben

Trotzdem ist Kraft eine Getriebene der neuen Entwicklung. Die Aussagen Pinkwarts sind nur ein willkommener Vorwand für die SPD-Landeschefin, ihren Meinungsumschwung öffentlich zu begründen. Kraft wollte aus der Opposition heraus die Landespolitik in NRW bestimmen. Dieser Weg, so zeichnete sich in den vergangenen Tagen ab, stieß aber sowohl bei den Grünen im Land als auch bei der SPD im Bund auf große Vorbehalte. Die Grünen wollten die schwarz-gelbe Landesregierung in Düsseldorf aus dem Amt verdrängen und Verantwortung im Land übernehmen, um ihre Ziele durchsetzen zu können. Die projektbezogene Politik Krafts schien ihnen zu unsicher. In diese Kerbe schlug auch die Bundes-SPD, um die Mehrheit von Union und FDP im Bundesrat zu kippen. Der Druck auf Kraft wuchs, mit Hilfe Pinkwarts konnte sie ihm nun Gesicht wahrend nachgeben.

Vor dem Aus: Sollte Krafts Wahl klappen, dürfte es das Ende der politischen Karriere von Rüttgers bedeuten.

Vor dem Aus: Sollte Krafts Wahl klappen, dürfte es das Ende der politischen Karriere von Rüttgers bedeuten.

(Foto: dpa)

Das persönliche Risiko nimmt für sie damit allerdings zu. Genau das hatte Kraft vermeiden wollen, in dem sie in der Opposition bleiben und damit den Handlungsdruck an Rüttgers und seine geschäftsführende Regierung weitergeben wollte. Nun muss sie sich erst einer unsicheren Wahl stellen und dann ihre Politik auf unsicheren Mehrheiten aufbauen. Erinnerungen an das Schicksal Andrea Ypsilantis in Hessen werden dabei wach.

Für ihre Wahl im Düsseldorfer Landtag braucht Kraft letztlich eine einfache Mehrheit. SPD und Grüne verfügen über 90 Sitze, FDP und CDU über 80. Da die FDP bereits angekündigt hat, für Rüttgers und damit gegen Kraft stimmen zu wollen, kommt es auf die Linke mit ihren 11 Stimmen an. Die Partei hat bislang zumindest signalisiert, die SPD-Chefin zur neuen Ministerpräsidentin wählen zu wollen. Da im entscheidenden Wahlgang Enthaltungen nicht als Stimmen gewertet werden, stehen die Chancen für Krafts Wahl nicht schlecht.

Neuwahlen wahrscheinlich

Doch die Risiken bleiben. Eine Minderheitsregierung ohne eine ausgesprochene Tolerierung hat es in Deutschland bislang nicht gegeben. SPD und Grüne würden damit ein politisches Experiment eingehen, das ein Novum für die Bundesrepublik wäre.

Doch auch die rot-grüne Minderheitsregierung ohne jeden Partner wird nicht von Dauer sein. Mit zunehmender Zeit wird sich die Frage stellen, ob Linke oder FDP sich zu einer Tolerierung der Regierung entschließen oder sogar in ein Dreierbündnis eintreten. Das ist nach den gescheiterten Koalitionsverhandlungen mit beiden Parteien allerdings nicht sehr wahrscheinlich.

Viel eher wird es am Ende doch noch auf Neuwahlen in NRW herauslaufen. Dazu könnte es zwar bereits kommen, sollte Kraft bei der Wahl zur Ministerpräsidentin durchfallen oder im Herbst mit einem Landeshaushalt scheitern. Doch hoffen SPD und Grüne auf den Erfolg ihrer Regierung, um den Zeitpunkt für Neuwahlen selbst bestimmen zu können. Im Lauf des nächsten Jahres wäre ein erneuter Urnengang dann möglich, den Rot-Grün mit dem Wunsch nach einer stabilen Regierungsmehrheit begründen kann. Und in den Wahlkampf könnte Kraft dann mit dem Amtsbonus der Ministerpräsidentin gehen. Falls es kein Malus wird.

Quelle: ntv.de

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