Zwischenruf Sanktionen stärken Mullahs
08.06.2010, 13:32 Uhr
Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad lässt sich von Drohungen nicht beirren.
(Foto: AP)
Die konfrontative Politik des Westens gegenüber Teheran macht den Iran in Teilen der Dritten Welt zum Märtyrer. Weitere Sanktionen würden das blutige Regime der Mullahs nur stärken.
Mit der bevorstehenden Verabschiedung neuer Sanktionen durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen steht der Konflikt mit dem Iran vor einer neuen Eskalation. Parallel dazu droht vor der Küste des Gazastreifens erstmals eine direkte Konfrontation zwischen der Islamischen Republik und dem Staat Israel.
Die konfrontative Politik des Westens gegenüber Teheran, der sich nun im Grundsatz offenbar auch Russland und China angeschlossen haben, macht das blutige Regime aus "Revolutionsgardisten" und Mullahs in großen Teilen der Dritten Welt zum Märtyrer. Der durch einflussreiche Staaten wie Brasilien und das NATO-Mitglied Türkei mit dem Iran ausgehandelte Kompromiss im Atomstreit ist faktisch zur Makulatur geworden. Für Ankara, das sich zunehmend als euro-asiatische Regionalmacht geriert, bedeutet dies einen weiteren Schritt weg vom Westen. Aus der Sicht Brasílias ist ein weiterer Sanktionsbeschluss ein neuerlicher Beweis, dass auch mit einem Barack Obama an der Spitze der USA im Weißen Haus neues Denken nur verbal Einzug gehalten hat.
Israel wird eine Verschärfung der Sanktionen begrüßen und als Bestätigung seiner eigenen harten Linie gegenüber dem Iran auffassen. Eine ernsthafte Thematisierung des israelischen Kernwaffenpotenzials durch die internationale Staatengemeinschaft wäre dann auch vom Tisch. Vor diesem Hintergrund wird die Regierung in Jerusalem nicht zögern, auch die iranischen Schiffe mit Hilfsgütern aufzubringen, die sich Gaza nähern. Ein bewaffneter Zusammenstoß zwischen den sogenannten Revolutionsgarden und israelischen Spezialkräften auf offener See könnte verheerende Folgen haben.
Wenn der "point of no return" erreicht ist, wird es sowohl für Israel als auch für den Iran schwierig sich zurückzuziehen. Beide Regierungen beziehen – wenngleich mit völlig verschiedenem Vorzeichen - ihre Legitimation nicht zuletzt aus äußeren Bedrohungsszenarien. Weitere Sanktionen gegen den Iran würden das Regime weiter stärken. Analog gilt dies für die fundamentalistische Hamas im Gazastreifen, die ihre Macht eben nicht auf demokratische Wahlen, sondern einen Staatsstreich gründet. Weitsichtige Politik der Vetomächte im UN-Sicherheitsrat sieht anders aus.
Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de